Wie Arbeitslosigkeit zum sozialen Problem wurde
Wenn man den Quellen trauen darf, waren 1790 etwa 66 Prozent der Verstorbenen vermögenslos. Besonders die nicht arbeitende oder erwerbslose Bevölkerung geriet ins Zentrum der Armutsdebatte.
Um das Arbeitspotenzial der Untertanen mittels merkantistilistischer Bevölkerungspolitik ausschöpfen zu können, wurden die Untertanen der Monarchie statistisch erfasst und die 'Armut' als soziales Problem in Angriff genommen. Wie im wirtschaftlich erfolgreichen England und in den Niederlanden sollte auch in der katholischen Habsburgermonarchie ein neues, an Fleiß und Regelmäßigkeit orientiertes Arbeitsethos eingeführt werden. Die Folge waren die Diskriminierung der nicht arbeitenden Bevölkerung und die Abwertung der Figur des Bettlers.
Nachdem viele Arbeitsfelder noch ungeregelt waren, vermuteten Staatsökonomen wie Heinrich Gottlieb von Justi, die Ursprünge der "trägen, schläfrigen und unthätigen Unterthanen" im verschwenderischen Katholizismus. Gerade durch die Tugend des Almosengebens, würde die 'Bettelei' nur noch begünstigt.
An die Stelle der Mildtätigkeit trat im Umgang mit den betroffenen Bevölkerungsschichten nun Disziplin. Arbeit galt als passendes Erziehungsmittel, um Menschen vom Müßiggang abzuhalten. In Arbeitshäusern und Erziehungsanstalten sollten fleißige und sesshafte Untertanen erzogen werden.
Hierfür sollten zwei Gruppen unterschieden werden: 'Arbeitsunfähige' Personen, zu denen Invalide, Alte und Kranke zählten, wurden – da sie ihre Armut nicht selbst verschuldet hatten – von kirchlichen und kommunalen Einrichtungen der zuständigen Obrigkeit unterstützt. 'Arbeitsscheue' hingegen wurden kriminalisiert. ZigeunerInnen, Diebsgesindel, BettlerInnen, VagabundInnen, HausiererInnen, GauklerInnen usw. – mitsamt Bevölkerungs- und Berufsgruppen, die keinen festen Wohnsitz vorzuweisen hatten, fielen unter den Sammelbegriff des "Bettlerunwesens". Dekrete, Erlässe und Verbote führten zu regelrechten "Bettlerjagden" und teils zu ihrer Abschiebung in entlegene Gebiete der Monarchie. Schand- und Arbeitsstrafen bzw. lebenslange Stigmatisierung machten die Betroffenen, unter ihnen viele Frauen, zu gesellschaftlichen Außenseitern. Die Aussortierung der betreffenden Personen und die Härte der Sozialdisziplinierungsmaßnahmen waren oft von obrigkeitlicher Willkür abhängig, mitunter wurden auch Witwen, reisende Handwerksgesellen und Invalide abgeschoben.