Lebenswelt Stadt
"Stadtluft macht frei" − relativ autonom lebten städtische Handwerker, Kaufleute und Händler bis in die Frühe Neuzeit. Als Wien Residenzstadt wurde, änderte sich dies allerdings…
In der frühneuzeitlichen Stadt dominierten Handwerk und Handel. Die StadtbewohnerInnen bildeten zwar keinen eigenen Stand, lebten aber relativ autonom vom Herrscherhof. Das Stadtbürgertum war sozial stark differenziert und nur ein kleiner Teil verfügte über Bürgerrechte. Vollbürger war beispielsweise nur ein Hausbesitzer. Der Großteil der städtischen Bürgerschaft gehörte den Handwerkern an, die in Zechen und Zünften organisiert waren.
Als Ferdinand I. 1526 eine neue Stadtordnung für Wien, das bald dauerhafte Residenzstadt wurde, erließ, beabsichtigte dieser nicht nur die Durchsetzung absolutistischer Prinzipien, sondern die Stadt auch der direkten landesherrlichen Kontrolle zu unterstellen (Wiener Neustädter Blutgericht).
Alte Privilegien für Handwerker, welche erst die Stellung Wiens als Handelsstadt ermöglicht hatten, wurden aufgehoben. Zentrale Verwaltungsbehörden machten die Stadt schnell zu einem herrschaftlichen Verwaltungs- und Umschlagezentrum, das nun vom Hof abhängig war. In den Stadträten nahmen vermehrt landesfürstliche Räte die Plätze der Händler und Kaufleute ein. Das politische Mitspracherecht der Bürgerschaft wurde rasch zurückgedrängt.
Auch die Wirtschaftslage zahlreicher Gewerbetreibender verschlechterte sich. Sie bekamen Konkurrenz von sogenannten hofbefreiten Handwerkern. Diese durften etwa Schneider, Goldschmiede, Perückenmacher usw. anstellen, da sie von den Zunftvorschriften ausgenommen waren. Die hofbefreiten Handwerker erledigten ihre Geschäfte nicht nur für den Hof, sondern bald auch für die wohlhabenden StadtbürgerInnen, die sich am adeligen Lebensstil orientierten. Weitere Konkurrenz bekamen die Kleingewerbetreibenden von der Stadtguardia, die seit den Türkenkriegen in vielen Städten für Sicherheit sorgte. Ihre geringe Besoldung nötigte sie zum Nebenerwerb als Bäcker, Schuster oder Gastwirte. Daneben gab es noch die "Störer". Oftmals nicht einmal mit einem Meisterrecht ausgestattet, boten diese 'Handwerker ohne Werkstatt' ihre Dienste in den Häusern der KundInnen an. Schneider arbeiteten sehr häufig "auf der Stör".
Die Residenzstadt zog Adel und Geistlichkeit gleichermaßen an; um den Hof entstand das Herrenviertel. Die Kirche beanspruchte für ihre Orden neue Grundstücke. Etliche Bürgerhäuser mussten daher zur Verfügung gestellt werden. Stände, Adel, Hofpersonal und Beamte wurden in Freihäusern untergebracht und zahlten hierfür keine Steuern. Bürgerliche Hausbesitzer waren verpflichtet, einen Teil ihres Hauses an Hofpersonal abzugeben.
Diese Veränderungen wirkten sich auf das soziale Leben der Kaufleute aus, die danach strebten, sozial ebenfalls aufzusteigen oder nobilitiert zu werden − ganz nach dem Vorbild der Fugger.