Wer Geld verdient, kann auch einkaufen – Wie Manufakturen und Konsumieren zusammenhängen
Die Manufakturen bescherten nicht nur ihren Besitzern einen 'Geldsegen'. Die ArbeiterInnen kurbelten mit ihrem zusätzlichen Geldverdienst ebenfalls den Handel an. Wo aber Konsum war, konnte auch Konsumkritik nicht weit sein.
Auszug aus dem Eintrag "luxe" in der Encyclopédie in deutscher ÜbersetzungDas ist der Gebrauch, den man vom Reichtum & Gewerbe macht, um sich ein angenehmes Dasein zu verschaffen. Der Luxus hat als Hauptursache jene Unzufriedenheit mit unserem Zustand, jenen Wunsch besser zu sein, der in allen Menschen liegt und liegen muss. Er ist die Ursache ihrer Leidenschaften, ihrer Tugenden & ihrer Laster. (…) Möge es keine ausschließlichen Privilegien mehr für gewisse Manufakturen & gewisse Handelszweige geben; möge die Finanz weniger ertragsreich sein; mögen die Lasten und die Vorteile auf dieselben Köpfe aufgehäuft werden; möge der Müßiggang durch öffentliche Missbilligung oder durch Entzug der Ämter bestraft werden; und dann werden Sie, ohne den Luxus als solchen anzugreifen, ja ohne die Reichen zu sehr zu behelligen, wohl beobachten können, wie sich der Reichtum unmerklich besser verteilt & zunimmt, wie der Luxus in demselben Maße zunimmt & sich besser verteilt, wie also alles wieder in Ordnung kommt.
Für die ländliche Bevölkerung, welche Textilien oder Nahrung vor allem für den Eigenbedarf und für lokale Märkte produzierte, boten Manufakturen und Heimarbeit neue Verdienstmöglichkeiten. In Heimarbeit tätige Frauen trugen wesentlich zum gesteigerten Geldeinkommen der Haushalte bei. Mit den zusätzlichen Einkünften konnten die Menschen mehr gewerbliche Produkte nachfragen, welche wiederum in den Manufakturen hergestellt wurden. Auch der Konsum der städtischen Bevölkerung – allen voran der Luxuskonsum des Adels – nahm zu. Vermehrt gekauft wurden beispielsweise Baumwoll- und Seidenwaren, Uhren, Kaffee und Zucker. Der kaiserliche Hof trat nach den finanziellen Schwierigkeiten des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) sowohl als Förderer von Manufakturen auf als auch als Konsument der Manufakturprodukte. Mit der Erteilung von Fabriksprivilegien erlaubten die habsburgischen HerrscherInnen rechtlich die massenhafte Herstellung von Waren.
Einen weiteren 'Wettbewerbsvorteil' erhielten die Fabriksunternehmer durch die Reform des Niederlagsrechts 1774: Im Gegensatz zu den Handwerkern, die ihre Produkte nur über ihre Werkstätte oder einen Stand verkaufen durften, konnten die Manufakturbesitzer ihre Waren an mehreren Orten und Verkaufsstellen anbieten.
Die neuen Konsummöglichkeiten riefen Konsumkritiker auf den Plan. Denis Diderot, der französische Schriftsteller und Mitautor der Encyclopédie, beispielsweise sinnierte 1772 in einem Essay über ein neu erworbenes Konsumprodukt, einen Hausmantel: Dieser würde seinen ganzen Haushalt durcheinander bringen, weil er nicht zu seinen alten Dingen passte. Außerdem hätte er nur der Mode nachgegeben, alles zu erneuern und zu verschönern. In der Encyclopédie aber trat Diderot für eine Förderung des "Luxus" ein, weil dieser zum "Glück" der Menschen beitrage. Allerdings sollte der Staat dafür sorgen, dass der Reichtum gleichmäßiger verteilt werde. Damit trat er gegen die traditionelle Meinung auf, wonach "Luxus" ein Ausdruck von Unmoral und Verschwendung sei.