Konkurrenz belebt das Geschäft? Wiener Gesellen proben den Aufstand gegen die Manufakturen
Von Manufakturbesitzern und Frauen bedroht, wendeten sich die Handwerksgesellen an den 'guten' Kaiser Franz II./I. Der konnte ihnen aber auch nicht helfen und ließ stattdessen die Aufrührer verhaften.
Klagelied der SeidenwebergesellenAch! Wüsste dies die Obrigkeit,
die stets für Ordnung wacht,
wie man uns kränkt bey dieser Zeit,
was Joseph nie gedacht.
Zu früh starb leider dieser Herr,
er hat es gut gemeint,
im Grab gebührt ihm noch die Ehr‘;
er war ein Menschenfreund.
Doch Franz hört auch die Seinen an,
ihm gilt ein jeder gleich,
der Fürst als wie der Bürgersmann,
er schätzet arm und reich-
zu diesem rufen wir empor,
weil man uns also drückt,
und neiget er sein Vaterohr,
so sind wir schon beglückt.
Die Wiener Webergesellen waren so aufgebracht über die Untätigkeit von Franz II./I., dass 400 von ihnen den Kaiser bis nach Schönbrunn verfolgten. Sie dichteten ein Klagelied, das den Kaiser bewegen sollte, sich ihrer Sache anzunehmen.
Das zünftisch organisierte Handwerk sah sich zusehends von den Manufakturen bedroht. Aufgrund der ihnen eingeräumten Privilegien durften die Manufakturinhaber beliebige ArbeiterInnen beschäftigen, während die Zünfte strenge Regelungen vorgaben: Meister, Gesellen und Lehrlinge mussten katholisch und ehelich geboren sein; es durfte nur eine gewisse Anzahl von Betrieben bestehen, sodass die Konkurrenz gering gehalten wurde; Frauen durften nur als Witwe Meisterin werden und den Betrieb des Mannes weiterführen. In handwerklichen Betrieben machten Frauen nur Zuarbeiten, in Manufakturen waren sie für alle Arbeiten zugelassen. Die Fabrikanten beschäftigten bevorzugt Frauen, weil sie billige Arbeitskräfte waren und bei gleicher Arbeit weit geringeren Lohn als etwa Gesellen bekamen. Manufakturen konnten auch deshalb günstigere Produkte herstellen und verkaufen.
Dem Preis- und Lohndruck begegneten die zünftischen Meister, indem sie weniger Gesellen beschäftigten und stattdessen auf die Gratisarbeit von Töchtern und Ehefrauen zurückgriffen oder die Löhne der Gesellen drückten. Letztere sahen ihre Existenz durch die (Erwerbs)Arbeit von Frauen und den ebenfalls niedrig bezahlten Kindern und Jugendlichen bedroht und protestierten lautstark dagegen. In einem Majestätsgesuch von 1792 beschwerten sich die Seidenzeugmachergesellen beim Kaiser, dass die Fabrikanten "nebst den häufigen Jungen" auch "Weibspersonen, so viele ihnen beliebt", beschäftigen durften. Das Wiener Magistrat empfahl der Regierung, die Rädelsführer der Proteste zu verhaften oder auszuweisen. Viele der Gesellen mussten daraufhin die Stadt verlassen.