Maria Theresias letzte Jahre: Witwenschaft und Tod

Anton von Maron (?): Maria Theresia in Witwentracht, Ölgemälde, um 1772

Doppelsarkophag für Maria Theresia und Franz I. in der Kapuzinergruft, Foto, 1910

Der plötzliche Tod des Gatten 1765 in Innsbruck, wo sich die kaiserliche Familie anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Leopold mit Ludovica von Bourbon-Spanien aufhielt, war für Maria Theresia ein schwerer Schock, der ihr Leben und ihre Persönlichkeit nachhaltig veränderte.

Anton von Maron (?): Maria Theresia in Witwentracht, Ölgemälde, um 1772

Doppelsarkophag für Maria Theresia und Franz I. in der Kapuzinergruft, Foto, 1910

Maria Theresias unmittelbare Reaktion auf den Tod von Franz Stephan war tiefe Trauer. Von nun an trat sie nur mehr als Witwe auf, schnitt sich ihr Haar kurz und nahm den Witwenschleier. Sie folgte dem katholischen Tugendkatalog für Witwen, der eine Abkehr von weltlichen Vergnügungen forderte. Repräsentatives Auftreten galt demnach als für eine trauernde Witwe nicht schicklich. Die in jungen Jahren für höfische Vergnügungen durchaus offene Maria Theresia wandelte sich zu einer moralinsauren Matrone.  

Das Andenken an ihren Gatten zu pflegen wurde nun ein Hauptinhalt ihres Lebens. Sie entwickelte einen wahren Trauerkult um ihren verstorbenen Gemahl. In ihrem Gebetbuch fand sich nach ihrem Tod ein Zettel, auf dem sie die genaue Dauer ihrer Ehe ausgerechnet hatte: „29 Jahre, 6 Monate, 6 Täge, macht also Jahr 29, Monate 335, Wochen 1540, Täge 10.781, Stunden 258.744.“

Die trauernde Witwe zog sich zunehmend von der Öffentlichkeit zurück, sie wurde bereits zu Lebzeiten zum Mythos. Im Hintergrund behielt sie die Zügel jedoch weiterhin fest in den Händen. Ihren ältesten Sohn, der als Joseph II. die Nachfolge seines Vaters als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches angetreten hatte, machte sie zum Mitregenten in der habsburgischen Monarchie. Sie blieb aber weiterhin das bestimmende Element. Diese Konstellation ist in der habsburgischen Geschichte einzigartig.

Die gemeinsame Regentschaft war vom schwierigen Verhältnis zwischen Mutter und Sohn getrübt. Maria Theresias Einstellung wurde immer konservativer. Sie hatte viel von ihrem früheren Elan verloren. Ihre pessimistische Grundhaltung ließ sie ihr Lebenswerk durch die Pläne ihres Sohnes gefährdet sehen und sie zu einer Gegnerin vieler Maßnahmen Josephs II. werden. Sie betrachtete sich als Bewahrerin mit Sinn für die realen Möglichkeiten, den der „Revolutionär am Kaiserthron“ in seinem Reformeifer manchmal vermissen ließ.

Joseph wiederum sah sich durch die alternde Mutter in seinen Handlungen beschränkt. Er kritisierte die konservative innerfamiliäre Opposition rund um Maria Theresia. Spöttisch beschrieb er den Wiener Hof als „Weiberwirtschaft“, als „Ansammlung von einem Dutzend alter Damen, drei oder vier alter Fräuleins und zwanzig jungen Mädchen, die man Hofdamen nennt. Sieben Erzherzoginnen, eine Kaiserin, zwei Erzherzöge und ein Kaiser wohnen unter demselben Dach. Nichtsdestoweniger ist keine Spur von Gemeinschaft, kein vernünftiger, angenehmer oder gemeinsamer Punkt vorhanden. Jeder zieht auf seine Seite. Der Klatsch, die Hänseleien von Dame zu Dame, von Erzherzogin zu Erzherzogin beschränken sich auf das ‘Was soll man dazu sagen? ‘“

Zunehmend machte sich das Alter bemerkbar. Eine Beschreibung des Zustandes der alternden Maria Theresia verdanken wir ihrem Sohn Leopold, der seine Mutter 1778 in Wien besuchte. Gesundheitlich gehe es ihr angesichts ihres Alters vergleichsweise gut, „... wenngleich sie, infolge ihres Alters und auch ihrer Beleibtheit schon anfängt, mit großer Schwierigkeit zu gehen; sie atmet sofort sehr schwer, sobald sie geht oder sich bewegt, und da sie sich dessen schämt und sehr rasch zu gehen sucht, wird ihre Laune immer schlechter und ihre Stimmung niedergeschlagen. Ihr Gedächtnis hat sehr nachgelassen und sie erinnert sich nicht mehr an viele Dinge und gegebene Befehle und häufig wiederholt sie sich und daraus entsteht viel Verwirrung. Sie beginnt etwas schwerhörig zu werden (...) Sie macht sich über viele Dinge Skrupel und misstraut ständig sich selbst und allen anderen. Sie freut sich nie über etwas und ist ständig allein und melancholisch, da sie nie Gesellschaft hat und über alles vergrämt ist.

Am 29. November 1780 verstarb Maria Theresia in der Wiener Hofburg an einer Lungenentzündung. In ihrer Sterbestunde trug sie den Morgenmantel ihres geliebten Gemahls. Bestattet ist sie in der Wiener Kapuzinergruft, wo der Doppelsarkophag Maria Theresias und Franz Stephans von Lothringen einen dominanten Blickpunkt bildet.

 

Martin Mutschlechner