Maria Theresia als Gattin und Mutter

Martin van Meytens: Franz I. Stephan und Maria Theresia im Kreise der Familie, um 1754/55, Öl auf Leinwand

Erzherzogin Isabella: Nikolobescherung, Gouache 1762

Maria Theresia inszenierte sich als treu sorgende Gattin und Mutter. Dieses Klischeebild bestimmt die Wahrnehmung ihrer Person zum Teil bis heute.

Martin van Meytens: Franz I. Stephan und Maria Theresia im Kreise der Familie, um 1754/55, Öl auf Leinwand

Erzherzogin Isabella: Nikolobescherung, Gouache 1762

Maria Theresia, der Familienmensch, inmitten einer munteren Schar von Kindern, sorgt sich um das häusliche Wohl von Gatten und Nachwuchs. Gestärkt durch die warme häusliche Atmosphäre widmet sie sich den Staatsgeschäften und regiert ihr Reich mit mütterlich-gütigem Blick.

So könnte man, überspitzt formuliert, das in populären Darstellungen bis heute verbreitete Bild von Maria Theresia zusammenfassen.

Dass die Ehe zwischen Maria Theresia und Franz Stephan erstaunlich harmonisch war, ist unbestritten. Die beiden kannten einander seit Kindesbeinen, und die heranwachsende Maria Theresia entwickelte früh Zuneigung zu dem um neun Jahre älteren lothringischen Prinzen, der seit ihrem sechsten Lebensjahr als ihr zukünftiger Gemahl feststand.

Es war dies eine Liebesehe, untypisch für das aristokratisch-höfische Milieu, wo Dynastien vermählt wurden und nicht Individuen. Franz Stephan nannte seine Gattin „Chère Mitz“ oder „Reserl“, sie ihn „Mäusel“, wie in zahlreichen Briefen ersichtlich. Das harmonische Zusammenleben wurde vom Kaiserpaar auch bewusst betont und zur Schau gestellt, wie eine Schilderung des preußischen Großkanzlers Baron von Fürst-Kupferberg zeigt, wenn er konstatiert: „Wenig Privatleute leben in einer so innigen Eintracht wie der Kaiser und die Kaiserin“.

Maria Theresias Verständnis vom Eheleben wurde von Zeitgenossen zuweilen als bürgerlich belächelt. Ihre strenge Auslegung der katholischen Sexualmoral bezüglich ehelicher Treue führte des Öfteren zu erheblichen Konflikten mit ihrem Gatten Franz Stephan, der hierzu eine sehr liberale Einstellung hatte und diese auch auszuleben gedachte.

Maria Theresias Familie wuchs schnell und entwickelte sich prächtig. Sie schenkte innerhalb von 19 Jahren 16 Kindern das Leben. Ihr erstes Kind gebar sie in ihrem 20. Lebensjahr, ihr letztes im 39. Es waren dies allesamt Einzelgeburten.

Von den 16 Kindern des Kaiserpaares erreichten nur zehn das Erwachsenenalter. Die Kindersterblichkeit war damals allgemein sehr hoch, selbst in der kaiserlichen Familie, wo materielle Not unbekannt und eine ärztliche Versorgung auf der Höhe der Zeit gegeben war. Drei Kinder, ein Sohn und zwei Töchter, erlagen als Jugendliche den Pocken. Zwei Töchter starben unmittelbar nach Geburt, eine weitere Tochter im Kleinkindalter.

Dies wurde als gottgegeben hingenommen, denn vor allem der Tod von Säuglingen und Kleinkindern kam häufig vor. Erkennbar ist diese Haltung auch am Weiterreichen von Namen in der Familie von Maria Theresia: sobald ein Kind starb, wurde das nächste mit demselben Namen benannt. Auf den Namen Maria Karolina wurden hintereinander drei Töchter getauft, auf den Namen Maria Elisabeth zwei. Man muss bedenken, dass es sich hier um „wichtige“ Namen handelt: Karl/Karoline/Charlotte erinnerte an den Vater Maria Theresias, Karl VI.; Elisabeth an die Mütter Maria Theresias und Franz Stephans, die beide diesen Namen trugen.

Auf die reiche Kinderschar folgte naturgemäß eine noch größere Enkelschar: Maria Theresia war stolze Großmutter von 56 Enkelkindern, wobei jedoch wiederum nicht alle das Erwachsenenalter erreichen sollten.

Maria Theresia setzte die Mutterrolle bewusst ein. Es sei hier an ihr Auftreten mit dem kleinen Joseph am ungarischen Reichstag erinnert, um sich als junge Frau und Mutter zu präsentieren, die der Unterstützung des ungarischen Adels bedurfte. In zahlreichen Berichten von  Gesandten ist zu lesen, wie sich Maria Theresia im Kreise ihrer Kinder inszenierte. Auch Marie Antoinette erzählte ihren Vertrauten von der berechnenden Art ihrer Mutter: „Sobald man von der Ankunft eines Fremden von Bedeutung in Wien Kenntnis erhalten hatte, umgab sich die Kaiserin mit ihrer Familie, zog ihn zur Tafel, und erweckte durch diese wohlberechnete Annäherung den Glauben, als leite sie selbst die Erziehung ihrer Kinder.“

Maria Theresia war eine strenge Mutter, in der kaiserlichen Kindskammer wurde ihr Nachwuchs alles andere als verwöhnt. Isabella von Parma billigte ihrer Schwiegermutter zwar zu, dass sie ihre Kinder liebte, aber „ (...) ihre Liebe ist nie frei von Misstrauen und spürbarer Kälte (...) Was ihre Kinder betrifft, so liebt die Kaiserin dieselben, aber sie geht von einem falschen Grundsatz aus, der in allzu großer Strenge besteht.“

Die Kinder litten am launischen Charakter der Mutter, die offen war für Schmeicheleien und ihre Liebe oft sehr ungerecht verteilte. Maria Theresia hatte eindeutige Favoriten unter ihren Kindern. Schmerzhaft waren auch die oft verletzenden Kommentare der Mutter über das Verhalten der Kinder, die auch noch als Erwachsene unter ihrer strengen Kontrolle standen. Maria Theresia sah in ihren Kindern in erster Linie Vertreter der Dynastie, die im Rampenlicht der höfischen Öffentlichkeit sich stets ihrer hohen Herkunft bewusst sein und den Maßstäben, die an sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen Spitzenstellung gelegt wurden, entsprechen sollten.

Hier sei zur Illustration ein Ausschnitt aus dem Verhaltenskatalog, den Maria Theresia ihrer Tochter Maria Amalia zukommen ließ, zitiert: „Eure Redeweise (...) ist alles andere als gut, besonders wenn Ihr französisch sprecht. Das ist nicht meine Schuld, wie oft habe ich Euch gepredigt und Euch Wege gewiesen, darin besser vorwärts zu kommen, doch ohne Erfolg (...) Je weniger Ihr redet, um so besser wird es sein (...) Denn ich kenne Eure Art zu plaudern und muß Euch in aller Freundschaft sagen, daß sie recht langweilig und mit allen möglichen Phrasen geschmückt ist (...)“

 

Martin Mutschlechner