Wie aus edlen Herren "Zentralisten" und "Föderalisten" wurden…
Der Anbruch der "konstitutionellen Ära" brachte auch für den Adel eine neue Situation, in der er weiterhin sein politisches Mitspracherecht gesichert wissen wollte. Doch unterschiedliche ideologische Ansichten teilten den Adel in zwei Lager.
Der Beginn der "konstitutionellen Ära" wurde mit dem Oktoberdiplom 1860 eingeleitet. Da dem Reichstag darin allerdings nur eingeschränkte Rechte zugestanden wurden, stieß es auf Widerstand. Bereits im Februarpatent 1861 wurde die Gesetzgebung zwischen Kaiser und dem Reichsrat geregelt. Der Adel versuchte seinen politischen Einfluss auch unter den neuen Bedingungen zu erhalten. Deshalb kam es auch in der Aristokratie schnell zur Aufspaltung in "Zentralisten" und "Föderalisten".
Die "Zentralisten" folgten dem Leitbild eines auf Besitz und Bildung beruhenden Wahlrechts und förderten die zentralistische Politik des Monarchen, wobei sie eine deutschzentralistische Gesinnung propagierten. Die Höherbewertung der "deutschen Kultur" innerhalb des Reiches legte eine Elitenbildung nahe, die alle weiteren Nationalitäten innerhalb der Monarchie diskreditierte. Im Gegensatz dazu versuchten die "Föderalisten" die Kronländer gleichermaßen zu beteiligen und propagierten die Monarchie als Vielvölkerstaat. Als sie sich in der Frankfurter Nationalversammlung am 18. Mai 1848 explizit gegen einen Zusammenschluss deutschsprachiger Länder aussprachen, sah man in ihnen wichtige Verbündete einer kaisertreuen Gesinnung. Doch das zunehmende Nationalbewusstsein der einzelnen Länder – es entstanden die ersten Nationalmuseen und Nationalgeschichtsschreibungen – förderte zusehends national ausgerichtete Politiken, die auch die um 1880 entstandenen Massenparteien der Sozialdemokraten, Christlichsozialen und Deutschnationalen durchdrangen und den Einfluss der liberalen bürgerlichen Honoratiorengruppen weiter zurückdrängten.