"Türkenkopfstechen" am Hof
Ein martialischer Brauch symbolisiert den Triumph über den Feind: das Stechen mit Degen und Lanzen nach nachgebildeten Türkenköpfen.
Aus der "Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren", "IV. Capitul: Roßballette, Carouselle, Ringrennen", von Julius Bernhard Rohr 1729, die von hochfürstlichen "Divertissements" wie Krönungs-, Hochzeits- oder Trauerfeierlichkeiten, Festzügen durch die Residenzstadt, Turnieren, Karussellen und Rossballetten sowie Karnevalen und Maskeraden, Schlittenfahrten, Opern, Ballettaufführungen und Feuerwerken berichtet.§1. Der Name Carouselle leitet sich von den Curribus folis, Carro del fole, den Sonnenwagen der alten Römer her […]
§2. Die 'Renner' haben mit ihren Lanzen nach Ringen oder aufgesetzten Köpfen zu rennen, mit ihren Wurfspießen danach zu werfen, mit Pistolen danach zu schießen oder mit dem Degen einen auf der Erde liegenden Kopf aufzuheben. […]
§3. Bey Carousellen zielet man gemeiniglich nach ausgestellten Türckenköpffen. […]
§7. Die Häupter der Quadrillen sind gemeiniglich Fürsten oder die vornehmsten Officiers von Militair- oder Civil-Staat. Sie 'distinguieren' sich durch ihre Ausstattung an Lanzen, Kleidung, Pferden und begleitenden Pagen und Lakaien.
Hofmarschall Fürst Khevenhüller-Metsch in einem Tagebucheintrag über das "Damenkarussell" am 2. Januar 1743.Jedermann verwunderte sich, daß alles hierbei so ordentlich und ohne einigen widrigen Zustoß abgeloffen, da doch die Frauen und Hoff-Dames, so zu Pferd und in Birocci mitgerennet, sehr wenig Zeit, sich zu exerciren gehabt, und sonderlich das reutende Frauen-Volck mit schlechten und kaum zur Promenade, geschweige zu dergleichen Exercitien abgerichteten Pferden versehen gewesen.
Am 2. Januar 1743 richtete Maria Theresia anlässlich der Wiedereroberung Prags in der Winterreitschule der Hofburg ein Fest aus. Dabei wurde ein „Damenkarussell" ausgetragen: Die Kaiserin führte die erste Quadrille von Reiterinnen. Die Wagen wurden von Kavalieren gelenkt, die Damen mussten mit einem Degen nach auf Stangen aufgespießten nachgebildeten Türkenköpfen aus Holz oder Papiermaché stechen. Das eroberte Haupt des Gegners hatte in den Kriegen zwischen den Osmanen und dem Habsburgerreich immer eine große Rolle gespielt. Das „Türkenkopfstechen“, in Wien besonders im 17. Jahrhundert ein beliebtes höfisches Vergnügen, hielt sich der Habsburgermonarchie als Belustigung im Volk noch bis ins 19. Jahrhundert.
Sogenannte Karusselle wurden bereits im Mittelalter im Rahmen ritterlicher Turnierveranstaltungen abgehalten. In der Barockzeit sehr beliebt, fanden sie Eingang in die Pferdeballette, die vor allem zu Hochzeiten aufgeführt wurden. Im 18. Jahrhundert erlebten sowohl die Karusselle als auch das Kunstreiten eine Renaissance. Ein Damenkarussell allerdings stellte eine Besonderheit dar, wie Hofmarschall Fürst Khevenhüller-Metsch in seinem Tagebuch hervorhob.
Nach dem Fest fuhr Maria Theresia mit einigen anderen der teilnehmenden Damen in den Karussell-Wagen rund um den Michaelerplatz – so konnte die Wiener Bevölkerung die Festgesellschaft bestaunen.
Im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich des Wiener Kongresses wurde ein aufwendig geplantes und ausgestattetes Karussell in der Hofreitschule veranstaltet. Die Teilnehmenden mussten ritterliche Geschicklichkeitsspiele absolvieren, schließlich fand ein Scheingefecht statt.