Turquerie – die europäische Orient-Rezeption
Begehrt, gefürchtet und verklärt – die Rezeption des Orients im "Abendland" schwankt je nach historischer Befindlichkeit zwischen Ablehnung und Aneignung.
"Turquerie" oder Türkenmode bezeichnet das europäische Interesse am Orient, insbesondere der Kultur der Osmanen, und deren Einfluss auf Kunst und Kultur seit dem 16. Jahrhundert. Im Vordergrund standen – und stehen – dabei weniger die Beschäftigung mit den 'realen' Begebenheiten im jeweiligen Land, sondern europäische Fantasien vom Luxus des Orients – die Türkei war als Lieferant von 'Luxusgütern' wie Gewürzen und Duftessenzen, auch Kaffee und Tee bekannt.
Imaginationen vom Orient als Ort des 'Anderen', des Exotischen und Dekadenten kulminierten vor allem im 19. Jahrhundert in europäischen Darstellungen vom Harem als Männern unzugänglichem Ort weiblicher erotischer Sexualität. All diese Ideen kamen in vielen Bereichen der Kunst, die in orientalischen Fantasien schwelgte, sowie im höfischen und später großbürgerlichen Alltagsleben, etwa in Kleidung, Stoffen, Interieurs und Porzellan, zum Ausdruck. Der als üppig und wohlhabend imaginierte Orient bot die Möglichkeit zur Selbstdarstellung und Abgrenzung.
Die anhaltende Türkenmode speiste sich aus einem breiten Spektrum von Vorstellungen, die vom barbarischen Feind des Abendlandes über den tapferen Krieger bis hin zum kultivierten, gar erotischen Exoten reichten. Literaten und Philosophen diente der Orient als Projektionsfläche für Kritik an der eigenen und für Entwürfe einer besseren Gesellschaft.
Die Bilder veränderten sich mit der jeweiligen politischen und kulturellen Lage und wurden entsprechend instrumentalisiert: Unter dem Einfluss der Aufklärung wurden "den Orientalen" in Theater und Oper Eigenschaften wie Güte, Toleranz und Glaubensstärke "angedichtet"– ein berühmtes Beispiel sind die Charaktere in Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail". In den Jahrhunderten davor, als die Türken in manchen Ländern Europas eine reale Gefahr darstellten, schwankte die 'Türken-Rezeption' zwischen Furcht und Bewunderung. Diese Gegnerschaft speiste 'Bräuche' wie Turniere, in denen militärische Siege über die Osmanen und des Christentums über den Islam 'gespielt' wurden. Sehr beliebt – sowohl bei Hof als auch im kleinbürgerlichen und bäuerlichen Milieu – war das "Türkenkopfstechen": Dabei wurden vom galoppierenden Pferd aus mit Lanzen hölzerne Türkenfiguren und -köpfe aufgespießt.