Sag’ zum Abschied leise Servus: Der Umzug des alten Burgtheaters ins neue Haus am Ring
Wehmütig verließen die WienerInnen 1888 ihren geliebten Theaterbau am Michaelerplatz. Gustav Klimt hielt den Zuschauerraum sogar auf einem Gemälde fest.
Der Kritiker Ludwig Speidel berichtete über den Umzug der SchauspielerInnen vom alten Burgtheater am Michaelerplatz ins neue Haus am Ring.Nicht ohne schwere Bedenken, aber glücklicherweise auch mit freudigen Hoffnungen für die Zukunft begleiten wir den Auszug der Schauspielergesellschaft des Burgtheaters vom Michaelerplatz in das neue Haus an der Ringstraße.
Das „Neue Wiener Tagblatt“ schrieb am 13. Oktober 1888 über die Abschiedsvorstellung im alten Burgtheater am Michaelerplatz.Zum letzten Male ist also im alten Hause der Vorhang gefallen, der Abschied hat sich vollzogen, und wie schwer er den Freunden des verwitterten, schmucklosen und doch uns Allen so theuren Baues geworden, das lässt sich in schlichte Prosa nicht fassen. […] und schon um 6 1/2 Uhr war ein großer Theil des Hauses besetzt. Niemand wollte zu spät kommen; und so kam beinahe Alles zu früh. Die Aufregung, in welcher sich das Publikum befand, dokumentierte sich in einer höchst lebhaften Konversation. […]. Von solcher Aufregung war auch nicht der vornehmste Kreis des Auditoriums verschont. In der Hofloge herrschte ein Kommen und Gehen, wie wir es noch niemals wahrgenommen. […] Den Kaiser und seine Tochter schien das bewegte Leben im Hause sehr zu amusiren, denn sie musterten heiter lächelnd die Versammlung und beobachteten lange Zeit besonders die vierte Galerie. Im dritten Akte entfernte sich Kaiser Franz Joseph […] und im fünften Akte kehrte der Kaiser zurück, um bis an’s Ende zu verbleiben. […] Das Haus war von ,tout Vienne‘ besetzt. Alles was in Wien auf gesellschaftlichen Rang Anspruch macht, war erschienen.
Das kleine Gebäude des alten Burgtheaters am Michaelerplatz stand einem großen Projekt im Wege: Der Michaelertrakt der Hofburg, zu dem Joseph Emanuel Fischer von Erlach bereits um 1725 im Zug des Entwurfs der Winterreitschule die Pläne gezeichnet hatte, sollte nun tatsächlich fertiggebaut werden. Das alte Burgtheater musste weichen und wurde abgerissen.
Die letzte Vorstellung im Oktober 1888 – Goethes „Iphigenie auf Tauris“ – ging nicht ohne Wehmut über die Bühne: Das Wiener Publikum liebte das alte Theatergebäude trotz seines scheunenartigen Aussehens. Anscheinend störte es auch nicht, dass es im Haus an allen Ecken zog und im Inneren so eng war, dass der Letzte der 1.200 Gäste, die in dem aus Holz konstruierten Zuschauerraum Platz fanden, es erst eine Stunde nach Vorstellungsende verlassen konnte.
Auch beim Kaiserhaus war der alte Bau ausgesprochen beliebt: Da das Theater am Michaelerplatz nach höfischer Tradition an die Hofburg angebaut war, konnten die Mitglieder der kaiserlichen Familie direkt aus ihren Gemächern in die Hofloge gelangen. Insbesondere Kaiserin Elisabeth war ein oft gesehener Gast.
Bevor das alte Burgtheater abgerissen wurde, beauftragte die Stadt Wien Gustav Klimt und Franz Matsch damit, den Zuschauerraum zu malen. Klimt erfüllte diese Aufgabe sehr gewissenhaft: Er fügte 200 detailgetreue Miniaturporträts ein, die ein wahres Who's who der Wiener High Society darstellten. Hier tummelten sich Vertreter der höchsten Hofämter und Mitglieder der kaiserlichen Regierung neben Gesellschaftsgrößen, KünstlerInnen und nouveaux riches. Jeder wollte auf dem Bild vertreten sein. Als sich herausstellte, dass der spätere Bürgermeister Karl Lueger fehlte, musste Klimt ihn sogar nachträglich einfügen.