Ein gesellschaftlicher Hotspot: Das Burgtheater
Als im Jahr 1848 die Zensur aufgehoben wurde, erlebte das „alte“ Burgtheater – damals am Michaelerplatz – eine kurze liberale Blütezeit.
Direktor Heinrich Laube über Besuche des Kaisers im Burgtheater.Der Monarch versicherte dabei sehr anmutig, daß er gern ins Burgtheater ginge und oft kommen würde. Er hat auch Wort gehalten; in den ersten fünfziger Jahren war er fleißig bei uns und lachte in den Lustspielen ausgiebig … Bisweilen so, daß er sich das Taschentuch in den Mund stopfte, um den Lärm des Gelächters zu dämpfen.
Unter der Direktion von Heinrich Laube (in dieser Funktion von 1849–1867) hatte das Burgtheater mit bis zu 150 verschiedenen Stücken pro Jahr das größte Repertoire in seiner Geschichte. Gespielt wurde insbesondere Shakespeare, aber auch Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller sowie die jungdeutschen Dramatiker, zu denen auch Direktor Laube selbst zählte, der 1848 am Frankfurter Parlament in der Paulskirche teilgenommen hatte.
Laube baute das berühmte Burgtheaterensemble der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Er stellte das Stück selbst in den Mittelpunkt, Pathos im Ton sowie eine übertriebene Ausstattung lehnte er ab. Er förderte eine zeitgemäße, klare und präzise Bühnensprache, die bis ins frühe 20. Jahrhundert beherrschend blieb. Diese Sprache gelangte als „Burgtheaterdeutsch“ zu Bekanntheit.
Unter Heinrich Laube und seinem Nachfolger Franz Dingelstedt, der anders als Laube üppige Inszenierungen mit Massenszenen und prächtigen Kostümen arrangierte, errang das Burgtheater jenen Ruf, den es bis heute beansprucht: die „erste Bühne“ des deutschsprachigen Raums zu sein. Die proklamierte kulturelle Überlegenheit Österreichs vor anderen deutschen Staaten sollte die – vor allem nach der Niederlage von Königgrätz – eingebüßte politische Rolle ersetzen.
Das Burgtheater wurde nun mehr denn je zum Mittelpunkt der Wiener Gesellschaft, des Adels und des liberalen Bürgertums, die SchauspielerInnen zu Wiener Künstleridolen.
Der sparsame Laube spielte in den 18 Jahren seiner Direktion „keinen Kreuzer Defizit“ ein. Die Finanzierung des Hofburgtheaters bestritt Franz Joseph aus seiner Privatschatulle – alle neuen SchauspielerInnen mussten zu einem Antrittsbesuch beim Kaiser vorsprechen. Er selbst ging gerne ins Theater.
Mit zunehmendem Alter wurde ihm dies jedoch mehr und mehr zur lästigen Repräsentationspflicht. Schließlich engagierte er sich nur mehr in Fragen der Theaterverwaltung – und seiner Beziehung zur Hofschauspielerin Katharina Schratt.
In den 1880er Jahren wurden zaghaft neue Richtungen im Repertoire eingeschlagen: Erstmals kamen antike Tragödien zur Aufführung. 1885 wurde zum ersten Mal Ferdinand Raimunds „Verschwender“ gespielt. Bis dahin waren solche Stücke, die zum klassischen Wiener Volkstheater zählten, nicht auf dem Spielplan der „Burg“ gestanden.