Der 'heilige' Pflug Josephs II. – Der Kaiser als 'Bauer'

Kaiser Joseph II. führt den Pflug, Postkarte nach einem Gemälde von Richard Assmann

Wenn ein habsburgischer Regent einen Pflug in die Hand nahm, war das schon etwas Besonderes; so außergewöhnlich, dass dem Gerät höchste Ehren zuteil wurden.

Wie heißt das Ding, das wenige schätzen,

Doch zierts des größten Kaisers Hand,

Es ist gemacht, um zu verletzen,

Am nächsten ists dem Schwert verwandt.

Kein Blut vergießts und macht doch tausend Wunden

Niemand beraubts und macht doch reich,

Es hat den Erdkreis überwunden,

Es macht das Leben sanft und gleich.

Die größten Reiche hats gegründet,

Die ältsten Städte hats erbaut,

Doch niemals hat es Krieg entzündet,

Und Heil dem Volk, das ihm vertraut!

 

Dies Ding von Eisen, das nur wenge schätzen,

Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand

Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs,

Dies Werkzeug, das unschuldger als das Schwert

Dem frommen Fleiß den Erdkreis unterworfen –

Wer träte aus den öden, wüsten Steppen

Der Tartarei, wo nur der Jäger schwärmt,

Der Hirte weidet, in dies blühende Land

Und sähe rings die Saatgefilde grünen

Und hundert volkbelebte Städte steigen,

Von friedlichen Gesetzen still beglückt,

Und ehrte nicht das köstliche Geräte,

Das allen diesen Segen schuf – den Pflug?

Auszug aus Friedrich Schiller, Rätsel der Turandot, 1801

Kaiser Joseph II. führt den Pflug, Postkarte nach einem Gemälde von Richard Assmann

Joseph II. ging ans Werk und bearbeitete in Slavikovice nahe der mährischen Stadt Brünn (heute Tschechische Republik) einen Acker. Als seine Kutsche wegen defekter Achsen Halt machte, soll er den Pflug in die Hand genommen haben. Mit obsessiver Liebe zum Detail lokalisierten die GeschichtsschreiberInnen das Ereignis: Am 19. August 1769 zwischen fünf und sechs Uhr abends. Sogar vom Namen und Dienstverhältnis des Mannes, den Joseph II. 'beglückte', berichten sie: Jan Kartoš, Knecht des Andreas Trnka, wohnhaft in Slavikovice 44 – ansonsten fanden die 'einfachen' Leute ja nur selten in der 'großen' Herrschergeschichte Platz.

Die BewohnerInnen des Dorfes jedenfalls verehrten den Pflug, den die Majestät höchstpersönlich geführt hatte. Die 'Reliquie' trat bald den Weg ins 'Museum' an, zunächst ins Haus der mährischen Stände, heute wird sie im Mährischen Museum (Moravské Muzeum) in Brünn aufbewahrt. Auf dem betreffenden Acker wurden insgesamt fünf Denkmäler errichtet, die an das Ereignis erinnern sollten. Außerdem wurden zahlreiche Medaillen, Gemälde, eine Banknote und Postkarten mit dem pflügenden Joseph angefertigt. Spätere Generationen standen dem Ereignis weniger ehrfürchtig gegenüber: Rund 100 Jahre später wurde die Mährisch-Schlesische Eisenbahn mitten durch den Acker gebaut.

Der kaiserliche Pflug schaffte es sogar bis zur Weltausstellung 1873 in Wien, bei der er die Attraktion im sogenannten "Tempel des Pfluges" darstellte – versichert für die unglaubliche Summe von 50.000 Gulden.

Pflüge stellten in der Habsburgermonarchie ein weit verbreitetes landwirtschaftliches Gerät aus Holz oder Eisen dar. Die 'Luxusversion' aus Eisen war weitaus teurer. Der Zugmayr-Pflug, für den Severin Zugmayr im Vormärz das Privileg zur Herstellung erhielt, blieb in Österreich bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gebräuchlich und wurde dann langsam durch den Traktor abgelöst.

Christina Linsboth