Theatrum mundi: Die ganze Welt in einer Kammer
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden an vielen fürstlichen Höfen, aber auch von Stadtbürgern Kunstkammern eingerichtet. Natur- und Kunstobjekte sollten auf engstem Raum ein möglichst umfassendes Abbild der Welt darstellen.
Die mitteleuropäischen fürstlichen und bürgerlichen Sammlungen orientierten sich an italienischen Vorbildern, zum Beispiel den Sammlungen der Familien Este und Gonzaga. Mittelsmänner wie Jacopo Strada aus Mantua kauften für Privatkunden, aber auch den bayrischen Hof und den Kaiser Kunstgegenstände und Bücher an. Ein eigener Spezialist, der Antiquarius, eine Art Kustos, verwaltete die Sammlung. Am kaiserlichen Hof übernahm Strada diese neu geschaffene, einflussreiche Position.
Für die Fürsten war die Wunderkammer ein beliebtes Mittel zur Selbstdarstellung, mit dem sie Macht, Reichtum und ihre umfassenden Beziehungen präsentieren konnten. Der Kardinal Alessandro d’Este meinte über die Prager Kunstkammer Rudolfs II., der „Schatz sei seines Besitzers würdig“.
In der Kunstkammer ergänzten sich Natur- und Kunstobjekte. Diese Mischung beruhte auf der Annahme, dass zwischen den von Menschen geschaffenen Dingen und der von Gott geschaffenen Natur ein Zusammenhang existiere. Ein gemeinsames Anhäufen von naturalia und artificialia sollte eine enzyklopädische Sammlung ergeben, einen Spiegel des Kosmos im Kleinen. Kunstkammern sollten die Summe des Wissens über die Welt wiedergeben und bedienten damit den Wunsch nach universellem Wissen. Der Besitz eines Mikrokosmos in Form einer Kunstkammer symbolisierte Macht über die größere Welt, den Makrokosmos.
Die Funktion eines solchen ,Museums‘ beschrieb der Gelehrte Samuel Quiccheberg 1565 in seinem Werk über Museologie, „Inscriptiones vel tituli Theatri Amplissimi“, einem grundlegenden Werk für die Geschichte des Sammlungswesens in Europa, als die eines „Theatrum mundi“: „Ein möglichst breit angelegtes Theater, das echte Materialien und präzise Reproduktionen des gesamten Universums enthält.“
Naturgegenstände wie Straußeneier wurden dekorativ eingefasst und verarbeitet und so zu Kunstobjekten, die den Einklang von Natur und Kunst demonstrieren sollten – ein für diese Zeit charakteristischer Gedanke.
Die Kunstkammern mit ihren für heutige Augen teils ungewöhnlichen Objekten dienten nicht nur der Befriedigung der Sensationslust, sondern auch als Studiensammlungen, mit denen die belebte und unbelebte Natur erforscht werden sollte.