Magna Mater Austriae – Marienverehrung als habsburgischer Staatskult
Kaiser Leopold I. bezeichnete sich als "der heiligen Jungfrau Maria geringster und unwürdigster Knecht" und die Gottesmutter als seine Lehensherrin, von der er die Herrschaft verliehen bekommen hätte. Maria, die Magna Mater Austriae, war die Schutzpatronin der Dynastie und der von ihr beherrschten Länder.
Der bedeutendste Ort habsburgischer Marienverehrung war Mariazell in der Obersteiermark, das dank seiner mittelalterlichen Gründungslegenden mit Bezügen zu den böhmischen und ungarischen Ländern sich ideal als 'gesamtösterreichisches' Staatsheiligtum eignete. Seit dem 17. Jahrhundert war Mariazell das habsburgische Wallfahrtsziel schlechthin: wichtige Ereignisse und Entscheidungen waren von Wallfahrten begleitet. So begab sich Ferdinand II. auf Wallfahrt nach Mariazell, als 1621 die Todesurteile gegen die böhmischen Rebellen am Prager Altstädter Ring vollstreckt wurden, um für das Seelenheil der Verurteilten zu beten.
Auch der vorhergegangene Sieg der kaiserlichen Truppen in der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde der Fürsprache der Gottesmutter zugeschrieben, da das katholische Heer ein der Legende nach von Protestanten geschändetes Marienbild mit ins Feld nahm. Als Erinnerung an diese entscheidende Schlacht zwischen den katholischen und protestantischen Kräften wurde ein neuer Marienkult ("Maria vom Siege" / "Maria della vittoria") ins Leben gerufen. Dies hatte einen starken religionspolitischen Symbolgehalt, war doch die Marienverehrung ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum Protestantismus.
Die Gottesmutter wurde auch als symbolische Anführerin ("Generalissima") des kaiserlichen Heeres gegen die Osmanen propagiert. Dementsprechend wurde der Sieg Prinz Eugens über die türkischen Truppen in der Schlacht von Zenta 1697 der Fürsprache Mariens zugeschrieben. Daran erinnert bis heute das Gnadenbild von Maria Pötsch im Wiener Stephansdom, eine ursprünglich aus einer Dorfkirche im ostungarischen Ort Pócs stammende Ikone, die im Jahre 1696 mehrmals Tränen vergossen haben soll.
Eine weitere Erscheinungsform der Marienverehrung war der Loreto-Kult. Der Legende nach soll das Haus Mariens, die Casa Santa, beim Fall Akkons, der letzten christlichen Bastion im Heiligen Land, auf wunderbare Weise von Engeln 1291 von Jerusalem ins italienische Loreto an der adriatischen Küste gebracht worden sein. Dank Kaiser Ferdinand II. wurde der Loreto-Kult zu einem Zentralpunkt habsburgischer Frömmigkeit. Er legte 1598 vor dem Herrschaftsantritt in Loreto das Gelübde ab, sein Land von der Ketzerei zu befreien. Nach 1620 entstanden in der habsburgischen Monarchie zahlreiche Kopien der Casa Santa zu Loreto. In der Wiener Hofpfarrkirche bei den Augustinern ließ 1627 Ferdinands Gemahlin Eleonore von Gonzaga eine Casa Santa errichten. Diese Nachbildung hat sich jedoch nicht erhalten, da sie 1784 auf Befehl Kaiser Josephs II. abgetragen wurde.
Dass die Marienverehrung den Habsburgern eine wirkliche 'Herzensangelegenheit' war, zeigt die Tatsache, dass sich in dieser Loretokapelle ursprünglich die Herzgruft befand, wo in silbernen Gefäßen die Herzen der Habsburger bestattet und somit gleichsam Maria anvertraut wurden.