In Demut: Die Fußwaschungszeremonie
Alljährlich am Gründonnerstag kniete das Kaiserpaar vor einer Gruppe von alten Frauen und Männern nieder und wusch ihnen die Füße. Ein symbolischer Akt, der die Demut der habsburgischen Herrscher augenscheinlich machen sollte.
Der Gründonnerstag ist ein Feiertag der österlichen Karwoche, an dem Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl feierte und ihnen als Ausdruck seiner Demut die Füße wusch. Das Waschen der Füße galt in jener Zeit als Form der Gastfreundschaft, ausgeführt durch den niedrigsten Hausdiener. Die Durchführung dieses Aktes durch Jesus selbst lehrt die Bedeutung des demütigen Dienens gegenüber allen Menschen: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht (…)". In der katholischen Kirche wird dieses Ritual noch heute in Erinnerung daran praktiziert. Die traditionelle Fußwaschung des Papstes an zwölf Personen leitet am Gründonnerstag die Osterfeierlichkeiten ein.
Für die Herrscher aus dem Hause Habsburg stellte die Fußwaschung eine Demonstration ihrer Demut vor Gott und ihrer christlichen Nächstenliebe dar, die zum Kanon der herrscherlichen Tugenden gehörten. Das Ritual wurde bis zum Ende der habsburgischen Herrschaft gepflegt. Aus der Zeit Kaiser Franz Josephs sind von dieser Zeremonie auch Bildquellen überliefert.
Je zwölf arme Männer und Frauen wurden ausgewählt, einer ärztlichen Untersuchung unterzogen und schließlich gründlich gewaschen und einheitlich in Schwarz gekleidet. Dem Verzeichnis des Jahres 1880 entnehmen wir, dass das Alter der teilnehmenden Personen zwischen 88 und 92 lag. Zum Zeremoniell gehörten zunächst ein gemeinsamer Kirchgang und ein Schaugericht in vier Gängen. Allerdings wurden die Speisen nicht vor Ort gegessen, sondern den Teilnehmern in einer bemalten Holzwanne mit nach Hause gegeben. Erst dann begann die eigentliche Fußwaschung. Der Kaiser wie die Kaiserin rückten auf Knien von einer Person zur nächsten, wuschen die Füße und trockneten sie ab, assistiert von einem Prälaten, der ein Becken darunterhielt und einem weiteren Geistlichen, der Wasser nachfüllte. Abschließend bekam jeder und jede der zwölf Greise und Greisinnen einen weißen Lederbeutel mit 30 Silbermünzen sowie Weinkrüge und Becher aus grünem Steingut überreicht und wurde mit einer Hofkutsche nach Hause gefahren.
In seinen letzten Lebensjahren hielt Franz Joseph aus gesundheitlichen Gründen die Zeremonie kaum noch ab. Um das Ritual jedoch nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wurden ausgewählte bedürftige Personen symbolisch mit Geldgeschenken bedacht.