Habsburgs Himmel: Landespatrone und Hausheilige
Die Verehrung von heiliggesprochenen Herrschern als Landespatrone war nicht nur eine Frage der Frömmigkeit, sondern eine höchst politische Angelegenheit. Der regierende Monarch sah sich in der Nachfolge des Heiligen, dessen Reliquien als Requisiten bei der Herrschaftseinsetzung zum Zeichen der rechtmäßigen, gottgewollten Herrschaft dienten.
Im Mittelalter wurden Heilige als staatstragende Symbolfigur gesehen. Wenn der Kult eines bestimmten Heiligen in der Volksfrömmigkeit verankert war, dann stellte dieser eine wichtige Identifikationsfigur dar. Beispiele hierfür sind der heilige Wenzel von Böhmen oder der heilige König Stephan von Ungarn, die seit dem Mittelalter volkstümlich verehrte Symbole der jeweiligen Staatswesen und Garanten der Einheit des Landes waren.
In den österreichischen Ländern gab es keinen für die Gesamtheit der Länder zuständigen Landesheiligen. Diese Lücke wollten die habsburgischen Landesfürsten mit einem Landespatron schließen, der zugleich auch als Hausheiliger der Dynastie fungieren sollte.
In Markgraf Leopold III. aus dem Geschlecht der Babenberger, einer historischen Persönlichkeit aus dem Beginn der Landwerdung Österreichs, glaubte man eine passende Figur gefunden zu haben. Die Heiligsprechung Leopolds (1073 – 1136), der als Sifter einiger bedeutender österreichischer Klöster (u. a. Klosterneuburg) seine besondere Gottesfurcht bewiesen hatte, musste jedoch erst von den Habsburgern, die über komplizierte genealogische Verbindungslinien den Babenberger zu ihren Vorfahren zählten, in Rom durchgesetzt werden.
Einen ersten Anlauf zur Heiligsprechung Leopolds unternahm schon Rudolf IV. im Jahre 1358, jedoch erst Friedrich III. war 1485 in seinem Bemühen um die Kanonisation erfolgreich. Als Leopolds Gebeine, die als Reliquien des Heiligen nun zur Verehrung freigegeben waren, dem Grab des Heiligen im Stift Klosterneuburg entnommen wurden, fand 1506 eine erste offizielle Hofwallfahrt statt, an der Maximilian I. in den Gewändern eines Erzherzogs von Österreich teilnahm.
In der Gegenreformation wurde der Leopoldskult unter Leopold I. stark propagiert. 1663 ließ der Kaiser seinen Namenspatron zum Patron aller österreichischen Länder erheben. Am Leopolditag (15. November) fand alljählich eine Wallfahrt des Hofes nach Klosterneuburg statt. Der österreichische Erzherzogshut als Symbol des Kernlandes habsburgischer Macht wurde gemeinsam mit der Schädelreliquie verwahrt und so gleichsam der Obhut des Heiligen anvertraut.
Der heilige Markgraf wurde nun in den habsburgischen Himmel eingegliedert, in wortgewaltigen Abhandlungen und bildreichen Predigten wurde der Heilige als ideologische Klammer beschworen: in der Realität wurde der Leopoldskult in der Folge nur in Wien und Niederösterreich wirklich populär und verdrängte dort den ursprünglichen Landespatron Koloman.
Ein weiterer von Habsburg propagierter Heiliger war der Ziehvater Jesu, Josef. Die staatlich verordnete Verehrung dieses in Mitteleuropa bislang eher wenig bedeutenden Heiligen wurde im 17. Jahrhundert nach südeuropäischem Vorbild begonnen. Josef wurde als Beschützer in allen Nöten wie Hunger und Krieg zu einem weiteren Landespatron der österreichischen und böhmischen Länder erklärt. 1675 sogar zum Schutzherrn über das Heilige Römische Reich erhoben, wurde Josef 1677 auch zum Hausheiligen des Kaiserhauses: der im Jahr darauf geborene Sohn Kaiser Leopolds I., der spätere Kaiser Joseph I., erhielt diesen bisher in der Dynastie ungewöhnlichen Namen. "Josef" wurde in der Folge bis weit ins 20. Jahrhundert zu einem der populärsten männlichen Vornamen in Mitteleuropa.