Karl V. und der Traum von der Universalmonarchie
Angesichts des enormen Machtzuwachses entwickelte Karl bald die Idee einer weltumspannenden Universalmonarchie. Als ideologisches Fundament seines Anspruches auf die Vorherrschaft in Europa diente ihm die Kaiserwürde.
Um Maximilians Nachfolge als Kaiser bewarben sich neben ihm auch Franz I. von Frankreich und Heinrich VIII. von England. Im Juni 1519 wählten die Kurfürsten in Frankfurt Karl zum König, was die Vorstufe zur Erlangung der Kaiserwürde war. Karl war bei seinem hochfliegenden Anspruch jedoch mit Finanzproblemen konfrontiert, denn die Kurfürsten wollten ihre Stimmen abgegolten wissen. Den Wahlkampf hatte hauptsächlich die Kaufmannsfamilie der Fugger finanziert, von denen der Kaiser in Folge finanziell abhängig war. Karl V. war auch der letzte Kaiser, dessen Kaisertum durch die Krönung durch Papst Clemens VII. in Bologna bestätigt wurde.
Karls Anspruch auf die Führungsrolle im Konzert der Mächte war nicht unumstritten: Frankreich wurde für die nächsten zwei Jahrhunderte zum „Erbfeind“. Im Osten erwuchs den Habsburgern in der Gestalt des Osmanischen Reiches ein mächtiger Gegner. In Nachfolge der Spanischen Reconquista gegen die Mauren unternahm Karl Feldzüge nach Nordafrika, während er die Abwehr der unaufhaltsamen Expansion der Türken am Balkan seinem Bruder Ferdinand überließ.
Karl sah sich als Verteidiger der Christenheit – doch gerade während seiner Herrschaft zerbrach die Einheit der Römischen Kirche endgültig. Er unterschätzte die Kraft der lutherischen Reformation im Reich. Es war dies nicht nur eine theologische Frage, sondern ein politisches Kräftemessen zwischen Kaiser und Reichsfürsten, die auf ihre Vorrechte und Eigenständigkeit pochten. Der universale Anspruch Karls ist auch in seinen Lösungsversuchen im Glaubensstreit sichtbar. Der Kaiser wollte eine grundlegende Reform der Kirche. Karl sah sich als unparteiischer Schiedsrichter, der die Einheit der Christenheit bewahren wollte.
In diesem Sinne setzte Karl beim Papst die Einberufung des Konzils von Trient durch, das – von Karl als Versuch, die Einheit der Alten Kirche zu wahren – durch die Reform des Katholischen Kirche zum Beginn der Gegenreformation führte und somit entgegen Karls Intentionen die Fronten verhärtete. Somit scheiterte er in seinem Vorhaben vollkommen: Die Glaubensspaltung war Realität geworden.
Auch Karls Versuche, im Heiligen Römischen Reich die kaiserliche Autorität zu stärken und das monarchische Element zu Lasten des ständisch-föderativen Prinzips zu betonen, führten zu einem Konflikt, der 1547 zunächst mit dem Sieg im Schmalkaldischen Krieg zugunsten Karls beendet wurde. Karl nötigte den protestantischen Fürsten des Reiches das Augsburger Interim auf, in dem ein Kompromiss erzwungen werden sollte, bis die theologischen Streitpunkte geklärt sein würden. Dies führte zu einer Fundamentalopposition der protestantischen Reichstände. Im Augsburger Religionsfrieden 1555 zwischen dem Kaiser, der hier von seinem in dieser Hinsicht pragmatischeren Bruder Ferdinand vertreten wurde, und dem Reich wurde zwar ein Weg der Mitte gefunden. Doch die Grenzen der kaiserlichen Macht wurden damit aufgezeigt, und es wurde offenbar, dass Karl mit seiner Reichspolitik gescheitert war. Es gelang ihm nicht, sein Ideal eines starken Kaisertums gegen die Reichsfürsten durchzusetzen. Dies blieb auch das erklärte Ziel für die folgenden Generationen der Habsburger, die ebenfalls daran scheitern sollten.