Ferdinand II.: Das kaiserliche Strafgericht
Der Sieg von den Toren Prags bestärkte Ferdinand in seiner kompromisslosen Haltung. In Böhmen wurde seine Herrschaft wiederhergestellt und ein Exempel statuiert: Die Anführer des Aufstandes wurden öffentlich hingerichtet.
Während die 28 Verurteilten am Prager Altstädter Ring exekutiert wurden, betete der Kaiser im Marienwallfahrtsort Mariazell für deren Seelen. Dies war ein für Ferdinand bezeichnendes Verhalten. Er verstand sich als mildtätiger Monarch, der jedoch von den äußeren Umständen zum harten Durchgreifen gezwungen würde.
Der Kaiser sah Böhmen, das von ihm abgefallen war, als neu erobertes Gebiet an, das er nun nach seinen Vorstellungen ohne Rücksicht auf Traditionen und Privilegien umgestalten konnte.
Das von Ferdinand oktroyierte Regelwerk der „Verneuerten Landesordnung“ von 1627 schuf die neue gesetzliche Grundlage für Justiz und Verwaltung in den böhmischen Ländern. Darin wurden die königlichen Machtbefugnisse verstärkt, die Mitsprache der Stände beschnitten, der Katholizismus als alleinige legale Konfession festgeschrieben und die Krone Böhmens erblich an das Haus Habsburg gebunden.
Eine weitere Folge war, dass die katholische Gegenreformation mit voller Härte einsetzte. Unter Verwendung teilweise brutaler Mittel wurden Nichtkatholiken – und das war die überwältigende Mehrheit der Bewohner des Landes – eingeschüchtert, verfolgt und verdrängt. Es kam zu einem enormen Bevölkerungsverlust, denn an die 150.000 Menschen verließen das Land, was einen ökonomischen und kulturellen Aderlass bedeutete. Die mit den Maßnahmen Ferdinands verbundene Schwächung des tschechischen Charakters des Landes hatte zur Folge, dass im 19. Jahrhundert, in der Zeit der „Wiedergeburt“, der tschechischen Nationswerdung, diese Epoche einseitig als „Temno“, also als Periode der Düsternis, negativ besetzt wurde. Die Geschehnisse nach 1620 bildeten den wichtigsten Referenzpunkt für antihabsburgische, antikatholische und antideutsche Tendenzen in der tschechischen nationalistischen Agitation.
Die Maßnahmen Ferdinands II. beendeten die stark ausgeprägte konfessionelle Pluralität in den böhmischen Ländern. Der protestantische Adel und das Bürgertum wurden durch Konfiskationen ökonomisch ruiniert. Es kam zu einer massiven Umverteilung von Landbesitz zugunsten katholischer, dem Kaiser gegenüber loyaler Günstlinge und Militärs. Der Kaiser vergab die Güter teils um Schulden abzubauen, die durch die Kriegsereignisse anfielen, teils aus Dankbarkeit, und wurde darob als großzügig und freigiebig gefeiert. Kritisch besehen ließ Ferdinand seine loyale Anhängerschaft bei ominösen Machenschaften gewähren, die die Monarchie in eine Finanzkrise führten. Als Stichwort sei hier die Münzverschlechterung genannt: Durch Einziehung und Neuprägung der Münzen bei Herabsetzung des Edelmetallgehalts bereicherte sich ein Konsortium, an dem die wichtigsten politische Funktionsträger des Kaisers beteiligt waren. Ferdinands Obersthofmeister und engster Vertrauter, Fürst Hans Ulrich von Eggenberg, aber auch der kaiserliche Statthalter in Böhmen, Karl von Liechtenstein, ein undurchsichtiger Machtpolitiker, und vor allem Albrecht von Wallenstein, der sich zum allmächtigen Heerführer entwickeln sollte, machten hier enorme Profite an der kaiserlichen Finanz vorbei. Ämter- und Titelkauf sowie Korruption blühten am Wiener Hof.
In geringerem Maßstab traf das kaiserliche Strafgericht auch Ober- und Niederösterreich. Im Land ob der Enns verschlimmerte sich die Lage durch die pfandweise Abtretung des Landes an Bayern, das Ferdinand massive militärische Unterstützung geboten hatte. Die bayrische Herrschaft wurde durch die konsequente Gegenreformation verschärft, was zu einem Aufstand der evangelischen Bauern führte, der 1626 brutal niedergeschlagen wurde.
Ferdinands Ziel, den katholischen Glauben als bestimmende Konfession in seinem Herrschaftsbereich durchzusetzen, war in den österreichischen und böhmischen Ländern nun erreicht. Der Protestantismus war ins Abseits gedrängt oder illegalisiert worden. Wenn auch das protestantische Bekenntnis im Geheimen überleben sollte, wurde der Katholizismus die unangefochtene und bestimmende Staatsreligion. Die Landstände waren nun ihrer Widerstandskraft beraubt, wohingegen der loyale Teil des Adels, wirtschaftlich konsolidiert, auf der lokalen Ebene der Grundherrschaft eine nahezu unbeschränkte Macht über die Untertanen erhielt.
Im Rahmen der Habsburgermonarchie war es Ferdinand II. somit gelungen, die politischen und konfessionellen Strukturen dem Ideal der absolutistischen Herrschaft anzunähern.
Der absolutistische Gedanke wurde auch innerfamiliär umgesetzt: Um ähnliche Machtkämpfe wie zwischen Rudolf und Matthias in Zukunft zu vermeiden, führte Ferdinand II. 1621 die Primogenitur-Erbfolge ein. Dies bedeutete, dass stets der erstgeborene Sohn automatisch Oberhaupt der Dynastie wurde, und alle anderen Mitglieder des Hauses seiner Autorität unterstellt waren.
Die Person und das Wirken Ferdinands werden in der historischen Literatur sehr kontroversiell beurteilt: Einerseits wird er als fanatischer und brutaler Gegenreformator dargestellt, der seinen Feinden nur nach totaler Unterwerfung Gnade gewährte. Auf der anderen Seite wird seine Bedeutung als ein der katholischen Sache und dem Bestand des Hauses Habsburg bedingungslos dienender Monarch hervorgehoben, dem es gelungen war, die Habsburgermonarchie nach der existenziellen Krise unter seinen Vorgängern zu einer konfessionell einheitlichen und politisch stabilen Macht umzugestalten.