Erste Begegnung und Hochzeit in Paris
Am 13. März 1810 machte sich Marie Louise mit einem großen Tross von Kutschen auf den Weg in eine ungewisse Zukunft.
Zunächst durfte ihr österreichisches Gefolge sie begleiten, doch als sie die bayrische Grenze erreichte, mussten ihre letzten Vertrauten sie verlassen. "Ich versichere Sie bester Papa daß ich recht traurig bin und mich nicht trösten kann", schrieb sie nach der Übergabe in Braunau an ihren Vater. Doch je länger die Fahrt dauerte, desto besser fühlte sich Marie Louise. Napoleon, der die Verführung junger Mädchen bestens beherrschte, ließ ihr regelmäßig Liebesbriefe und Geschenke überbringen und schon bald begann sie, Sympathien für ihn zu entwickeln. Napoleon selbst erwartete seine Braut voll Ungeduld in Compiègne und als sie mit ihrem Tross nach 14 Tagen endlich herannahte, ritt er ihr spontan entgegen. Er traf die Kolonne beim Pferdewechsel an einer Poststation und stieg kurzerhand in ihre Kutsche ein. Nachdem sie sich vom ersten Schreck erholt hatte, zeigte sich Marie Louise angetan vom guten Aussehen ihres Gemahls. Napoleon beschloss nun, die vorbereitete Ankunftszeremonie ausfallen zu lassen und mit seiner Braut sofort nach Compiègne zu fahren, wo er sie - ganz außer Protokoll - noch in dieser Nacht zu seiner Frau machte.
Napoleon wurde seinem Ruf als hervorragender Liebhaber offenbar auch bei Marie Louise gerecht. Im ersten Brief, den sie nach der vorgezogenen Hochzeitsnacht an ihren Vater schickte, war die Verzweiflung, die sie noch kurz zuvor empfunden hatte, euphorischen Gefühlen gewichen: Napoleon liebe sie sehr und sie erwidere diese Liebe, schrieb eine sichtlich glückliche junge Frau. Erst zwei Tage danach reiste das Paar von Compiègne nach St. Cloud, wo die Ziviltrauung stattfand. Von dort ging es am 2. April 1810 bei prachtvollem Wetter in einer Prozession von über 50 Prunkkutschen und 240 Reitern weiter nach Paris. Durch ein Spalier von Garden und jubelnden Menschenmassen fuhr das Kaiserpaar über die Champs Elisées zum Louvre, wo Kardinal Fesch die endgültige kirchliche Trauung vollzog.
Das glanzvolle Ereignis wurde allerdings durch einen folgenschweren Zwischenfall überschattet: Von den 29 in Paris residierenden Kardinälen waren nur 10 zur kirchlichen Trauung erschienen. Die prominent platzierten, leeren Sitze der Kardinäle waren ein offenkundiges Zeichen dafür, dass sie an der Gültigkeit der Zeremonie zweifelten, da der Papst Napoleons erste Ehe nie für ungültig erklärt hatte. Dieser passive Widerstand versetzte den Kaiser in maßlosen Zorn: Er sah darin eine Strategie um seinen künftigen Erben das Recht der Nachfolge zu verwehren. Der tiefreligiösen Marie Louise wurde möglicherweise erst in diesem Moment klar, dass ihre Ehe aus katholischer Sicht keineswegs unanfechtbar war.