Der Steirische Prinz
Erzherzog Johann im Steirerrock aus grauem Loden – dieses Bild hat sich im allgemeinen Bewusstsein eingeprägt. Der bodenständige Habsburger gilt als Identifikationsfigur der Aufklärung in der Steiermark, als ein Symbol für die Versöhnung von Tradition und Moderne.
Ab 1818 erwarb Erzherzog Johann systematisch Güter in der Steiermark, die nun sein Lebensmittelpunkt wurde. Der „Steirische Prinz“, wie er bald genannt wurde, wandelte sein Gut Brandhof in der Obersteiermark nahe Mariazell zu einem Mustergut um.
Er erwies sich hier als Förderer neuester Entwicklungen in Technik und Landwirtschaft. Dank seiner Reisen nach England, damals der Vorreiter in Sachen Industrialisierung und Technologie, kam er in Kontakt mit fortschrittlichen Ideen, die er nun als Privatmann in der Steiermark umzusetzen versuchte.
So war er zum Beispiel maßgeblich daran beteiligt, dass die Südbahnstrecke, die Wien mit Triest verband, über den Semmering und durch die Steiermark gebaut wurde, und nicht über Westungarn. Dies führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Obersteiermark. Die Semmeringbahnstrecke, die erste Gebirgsbahn Europas, gilt heute als ein Monument innovativer Technologie im 19. Jahrhundert.
Johann war auch ein wichtiger Initiator für die landeskundliche Erforschung der Steiermark. Seine private naturwissenschaftliche Sammlung und Bibliothek ließ er in Graz öffentlich zugänglich machen. Daraus entwickelte sich das „Joanneum“, eine landeskundliche Forschungsinstitution, die bis heute besteht.
Die gewonnenen Erkenntnisse setzte er auch in der Realität um. 1822 kaufte er ein Eisenwerk in Vordernberg und wurde zum Wegbereiter der Modernisierung der Erzverhüttung am steirischen Erzberg.
Daneben gilt der Erzherzog auch als Begründer zahlreicher Vereine, die eine moderne Bürgergesellschaft entstehen lassen sollten. Die Liste der von Johann initiierten Institutionen in der Steiermark umfasst kulturelle Vereine wie den Leseverein (gegr. 1817), den Musikverein (gegr. 1817/19) sowie den Historischen Verein der Steiermark. Aber auch die Steirische Landesbibliothek (1811) und das Landesarchiv (1817) gehen auf Erzherzog Johann zurück.
Um das wirtschaftliche Niveau der Landbevölkerung zu heben und modernste agrarwissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten, wurde die Landwirtschaftliche Gesellschaft (1819) gegründet, die Vorgängerin der Landwirtschaftskammer.
Auf dem Gebiet des Gewerbes entsprach diesem Gedanken die Gründung des „Vereins zur Unterstützung der Industrie und des Gewerbes Innerösterreichs“ 1837. Die 1840 ins Leben gerufene „Berg- und hüttenmännische Lehranstalt“ in Vordernberg wurde 1849 nach Leoben verlegt und ist somit die Vorgängerinstitution der heutigen Montanuniversität.
Dem Erzherzog lag auch viel daran, den Menschen Ansporn zur Selbsthilfe zu geben: In diesem Sinne erfolgte 1825 die Gründung der Sparkasse und 1828 der Wechselseitigen Brandschadensversicherungsanstalt. In der „Bruderlade der Berg- und Hüttenarbeiter in Vordernberg“, gegründet 1837, entstand eine Art Kranken- und Sozialversicherung für Bergarbeiter.
Nach einem kurzen Auftritt auf der Bühne der europäischen Politik in der Zeit von 1848/49, als er dank seines hohen Ansehens von der Frankfurter Nationalversammlung zum Reichsverweser gewählt wurde, kehrte er ernüchtert wieder in die überschaubare Welt der Alpen zurück und widmete sich wiederum seiner geliebten Steiermark. Als Zeichen der Verbundenheit wurde Johann 1850, als den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung zugestanden wurde, zum Bürgermeister von Stainz in der Steiermark gewählt.
Erzherzog Johann, der am 11. Mai 1859 in seinem Grazer Stadtpalais verstarb, erwarb sich durch seine Tätigkeit bald den Ruf, ein Freund des einfachen Volkes zu sein, mit einem echten Verständnis für die Nöte und Bedürfnisse der Menschen. Bis heute gilt er als der volkstümlichste Habsburger. Schlagworte wie „Grüner Rebell“ und „Steirischer Prinz“ zeigen, wie stark dieser Habsburger bis heute im historischen Bewusstsein der Österreicher verankert ist.