Der Erzherzog und die Postmeisterstochter
„Erzherzog Johanns große Liebe“ – so lautet der Titel eines sentimentalen Films aus dem Jahr 1950, der die Geschichte vom Prinzen erzählt, der gegen alle Konventionen der Zeit für die Liebe seines Leben kämpft. Tatsächlich sind hier alle Ingredienzien für eine große Liebesgeschichte vorhanden.
Die Beziehung zwischen Erzherzog Johann und Anna Plochl (1804–1885), der Tochter des Postmeisters von Aussee im steirischen Salzkammergut, begann 1819. Anna war damals erst 15 Jahre alt, Johann war um 20 Jahre älter.
Es entwickelte sich eine Beziehung von erstaunlicher Belastbarkeit, denn die Umstände sprachen gegen das Paar. Verhältnisse von Mitgliedern des Kaiserhauses mit nicht standesgemäßen Partnern und Partnerinnen waren an sich keine Seltenheit. Oft waren diese Verbindungen auch von langer Dauer. Nur galt es, diese diskret zu regeln und zumindest öffentlich nicht zu legitimieren.
Erzherzog Johann wollte jedoch eine offizielle Legitimierung seiner Beziehung zu Anna durchsetzen. Er begann sein Vorhaben sehr vorsichtig. Erst vier Jahre nach dem ersten Kennenlernen wandte sich Johann an seinen Bruder und informierte den Kaiser offiziell davon, worüber der Wiener Hof bereits seit längerem tuschelte. Franz gab dann auch seine prinzipielle Zustimmung, revidierte sie jedoch bald wieder.
Denn Johann bestand auf einer regulären Eheschließung, was am Kaiserhof wie eine Bombe einschlug. Dass ein Mitglied der kaiserlichen Dynastie eine Ehe mit einer Bürgerlichen einging, war im adelsstolzen Umfeld des Wiener Hofes eine Ungeheuerlichkeit, die es bisher noch nicht gegeben hatte. Kaiser Franz und der Großteil der habsburgischen Verwandtschaft waren strikt gegen die Legitimierung dieser Verbindung,
Johann wurde nur gestattet, mit seiner Gefährtin als „Hausfrau“ zusammenzuwohnen. Nach Außen wurde, um die Ehre Annas zu bewahren, auf die Einhaltung der Enthaltsamkeit Wert gelegt.
1829 kam plötzlich die Einwilligung zur Heirat vonseiten Kaiser Franz’, der, offensichtlich milde geworden, dem eigenartigen Zustand ein Ende machen wollte. Die Hochzeit wurde eilig und ohne große Feierlichkeiten vollzogen, denn sie wurde öffentlich nicht verlautbart. Erst 1833 durfte Johann sich offiziell zu seiner Gattin bekennen, die 1834 in den Rang einer „Freifrau von Brandhofen“ erhoben wurde.
Der Preis für die kaiserliche Zustimmung zur Hochzeit war, dass Anna und die Kinder, die aus dieser Verbindung entspringen sollten, nicht als Mitglieder des Erzhauses gelten sollten. Dem einzigen Kind der beiden, dem 1839 geborenen Sohn Franz Ludwig, wurde der Titel eines Grafen von Meran zugestanden. Dessen zahlreiche Nachkommenschaft lebt unter diesem Namen bis heute fort. Hauptsitz der Familie ist Schloss Schenna nahe Meran in Südtirol, das Erzherzog Johann 1845 erworben hatte.
In der dortigen Familiengruft ruhen auch sein Leichnam und der seiner Gattin Anna, die ihn um 26 Jahre überleben sollte.