Der Erzherzog und die Revolution 1848
Dank seines für einen Prinzen aus dem Haus Habsburg ungewöhnlichen Lebensweges hatte Erzherzog Johann sein Ohr an der „Stimme des Volkes“ und sah die Probleme und Gefahren, auf die die Monarchie zusteuerte. Trotz seiner Fortschrittsgläubigkeit und seines Enthusiasmus war er zutiefst pessimistisch, was die Zukunft betraf.
1848, mit dem Ausbruch der Revolution, wurden seine Befürchtungen wahr: Die Unzufriedenheit der Menschen mit dem erstarrten System Metternich ließ sich nicht mehr mit Zensur und Polizeistaat unterdrücken. Die aufgestaute Frustration der Massen entlud sich, es kam in allen größeren Städten der Monarchie zu Protestaktionen, die in Gewalt mündeten.
Nun versuchte auch der in die Defensive geratene Wiener Hof den bisher ins Abseits gedrängten Erzherzog als „Sympathieträger“ der Dynastie einzusetzen. Aufgrund seiner Popularität genügte oft seine bloße Anwesenheit, um den Volkszorn zu besänftigen. Als die kaiserliche Familie im Mai 1848 nach Tirol geflohen war, wurde Johann von seinem Neffen Kaiser Ferdinand zu seinem Vertreter ernannt. Dem liberalen Außenseiter wurde nun „die ganze Machtvollkommenheit als konstitutioneller Kaiser von Österreich“ überantwortet.
Dieser Versuch eines Einlenkens des Kaiserhauses wurde von den reaktionären Kräften in der Dynastie, allen voran Erzherzogin Sophie, als unverzeihliche Anbiederung an den Volkswillen verurteilt. Als dieser Flügel innerhalb des habsburgischen Familienclans die Oberhand gewinnen sollte und den – in ihren Augen – allzu nachgiebigen Kaiser Ferdinand zur Abdankung überreden konnte, blieb Johann bald allein und ohne Unterstützung vonseiten der Dynastie.
Der wichtigste Ausdruck seiner Popularität in weiten Kreisen des Volkes war die Wahl Erzherzog Johanns zum Reichsverweser durch die Frankfurter Nationalversammlung, die im Mai 1848 zusammentrat. Ziel der Versammlung war es, eine Verfassung und einen Grundrechtekatalog zu erarbeiten. Nachdem die bisherigen reaktionären und antiliberalen Regime in den verschiedenen deutschen Monarchien durch die Revolution erschüttert worden waren, wollte man aus der Vielzahl deutscher Staaten einen Nationalstaat unter der Führung eines konstitutionellen Monarchen machen. Dahinter stand die romantische Idee einer Wiederbelebung des 1806 für erloschen erklärten Heiligen Römischen Reiches, nun jedoch als deutscher Nationalstaat.
Die Wahl Erzherzog Johanns zum „Reichsverweser“ im Juni 1848 stellte einen Kompromiss dar. Einerseits war Johann ein Mitglied der alten Dynastie der Habsburger und somit für die konservativen deutschen Fürsten ein akzeptabler Kandidat. Andererseits galt Johann aber auch als modern denkender und volksnaher Neuerer, was eine Forderung der liberalen Kräfte war.
Die Funktion Johanns, die sich unter der sperrigen Bezeichnung „Reichsverweser“ verbarg, war die eines stellvertretenden Staatsoberhauptes. Man erwartete, dass sich Johann den Bestimmungen bezüglich der Zukunft der Deutschen Lande beugen würde, die die Nationalversammlung gerade im Begriff war auszuarbeiten. Er war also eine Art Platzhalter, bevor man eine dauerhafte Lösung finden würde.
In dieser schwierigen Position stieß der Idealist Johann jedoch bald an seine Grenzen und scheiterte an der Realität. Die bürgerlichen Kräfte waren uneins, und gleichzeitig verlor der Erzherzog die Unterstützung der deutschen Fürsten. Als der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die ihm angebotene Kaiserkrone ablehnte, und damit das Scheitern der Pauslkirchenversammlung offenbar wurde, legte Johann im Dezember 1849 sein Amt nieder. Seinen geringen Rückhalt in der eigenen Familie zeigt die Haltung des neuernannten Kaisers von Österreich, Franz Joseph, der seinen Großonkel Johann spöttisch als „Reichsvermoderer“ bezeichnete.