Schönbrunn nach dem Zweiten Weltkrieg – Nostalgie und Kaiserkult
An die zwei Millionen Menschen besichtigen Jahr für Jahr Wiens meistbesuchte Sehenswürdigkeit: die ehemaligen kaiserlichen Appartements im Schloss Schönbrunn. Nachdem die Kriegsschäden beseitigt waren, wurde Schönbrunn zum Schauplatz von Nostalgie und Kaiserkult.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden Teile des Schlosses von Einheiten der nationalsozialistischen Schutz- und Militärpolizei benutzt; trotzdem konnten bis zum Herbst 1943 die Schauräume besichtigt werden. Schließlich brachte man jedoch aus Angst vor Kriegsschäden einige besonders wertvolle Einrichtungsgegenstände zur sicheren Aufbewahrung in ein Salzbergwerk. Am 19. Februar 1945 schlug tatsächlich eine Bombe in das Hauptgebäude ein. Ein Regen aus zerbrochenen Fensterscheiben und Dachziegeln ging nieder, im Dachbereich des Mitteltraktes klaffte ein Loch. Teile der Ausstattung der Großen Galerie wurden durch die Wucht des Einschlags beschädigt, zum Glück brach kein Brand aus. Dabei ist das Hauptgebäude noch relativ glimpflich davongekommen, denn insgesamt wurden nach den Angriffen 269 Einschläge gezählt, die Nebengebäude und die Parkanlagen schwer beschädigten.
Während der Besatzung Österreichs von 1945 bis 1955 wurde Schönbrunn von den britischen Streitkräften als Verwaltungsgebäude und für repräsentative Zwecke in Anspruch genommen. So wird von großen Paraden, Feierlichkeiten und Feuerwerken berichtet, die tausende Wiener besuchten. Nach dem Abzug der Besatzungsmächte wussten auch Vertreter der jungen Republik das Schloss als beeindruckende Kulisse für Staatsempfänge zu nutzen. Die Feierlichkeiten anlässlich des Staatsvertrages 1955 – die Unterzeichnung selbst fand jedoch im Schloss Belvedere statt – waren nur der Auftakt für die Präsentation der Republik Österreich im imperialen Rahmen Schönbrunns.
Gleichzeitig verklärte sich auch im offiziellen Geschichtsbild der Republik der Blick auf die "gute alte Kaiserzeit"; der Wunsch nach ihrer Verdrängung – wie noch nach dem Ersten Weltkrieg – wich der Betonung der imperialen Vergangenheit Österreichs.
Nostalgie und Kaiserkult dienten auch der nun einsetzenden Erfolgsgeschichte Schönbrunns als meistbesuchte Sehenswürdigkeit des Landes. Der touristische Schaubetrieb des Schlosses wurde zu seiner wichtigsten Funktion. Die kostenintensive Instandhaltung der Anlage wird heute von den Einnahmen aus dem Tourismus finanziert. Die Anforderungen des Denkmalschutzes bezüglich der Erhaltung des historischen Erbes mit den Bedürfnissen der Besucher in Einklang zu bringen, ist die wichtigste Aufgabe der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebs Ges.m.b.H., die Schönbrunn seit 1992 im Auftrag des Staates bewirtschaftet.