Rudolf, der Fälscher
Groß war die Enttäuschung, als in der 1356 von Karl IV. erlassenen Goldenen Bulle, die die Wahlordnung für die Königswahl im Reich festlegte und eine Reihe von Reichsfürsten zu Kurfürsten mit weitreichenden Privilegien erhob, das Haus Habsburg übergangen wurde. Herzog Rudolf sah sich gezwungen, mit nicht ganz legalen Mitteln darauf zu reagieren.
Rudolf war nicht nur in seinem persönlichen Ehrgeiz verletzt, sondern erkannte darin auch eine Zurücksetzung seiner Dynastie, denn die Habsburger waren dank der soliden Hausmacht im Südosten des Reiches eines der mächtigsten und einflussreichsten reichsfürstlichen Geschlechter und hatten noch zwei Generationen davor selbst Könige gestellt.
Der junge Herzog, der seit dem Tod seines Vaters (1358) nun der Chef des Hauses war, ergriff Maßnahmen, die dieses Manko ausgleichen sollten. 1358/59 ließ er in Abständen gefälschte Urkunden herstellen, die eine Sonderstellung Österreichs im Reich begründen und seinem Geschlecht einen königsgleichen Rang zusichern sollten.
Das Hauptstück bildete das berühmte „Privilegium Maius“. Diese Fälschung basierte auf dem Inhalt des „Privilegium Minus“, mit dem 1156 das damals noch von den Babenbergern beherrschte Österreich von Kaiser Friedrich I. Barbarossa zu einem Herzogtum erhoben und endgültig von Bayern abgetrennt worden war. Rudolf ließ eine neue Version anfertigen, die den ursprünglichen Inhalt um für Österreich vorteilhafte Bestimmungen erweiterte, was die Beziehung zum Reich betraf. Dem Haus Habsburg wurde in dieser erweiterten Fassung der Titel eines Pfalzerzherzoges verliehen. Rudolf ließ das kaiserliche Siegel der echten Urkunde an dem Falsifikat anbringen und das Originalschriftstück vernichten.
Außerdem ließ der Habsburger noch fünf weitere Schriftstücke fälschen, die den Inhalt des Privilegium Maius bekräftigen sollten: Zunächst tauchte ein gefälschter, auf 1156 datierter Brief Friedrich Barbarossas auf, der die im Privilegium Maius verliehenen Rechte ergänzte und bestätigte. Außerdem legte Rudolf weitere gefälschte Briefe von König Heinrich VII. (datiert mit 1228), Friedrich II. (1245) und Rudolf I. (1283) vor, die die Bestimmungen ebenfalls bestätigen und in Details erweiterten.
Besonders anmaßend war die Fälschung eines Briefes Kaiser Heinrichs IV. aus 1058, worin angebliche Privilegien Österreichs, die von den antiken Herrschern Cäsar und Nero verliehen worden wären, bestätigt wurden.
Kaiser Karl IV. ließ die Schriftstücke von Gelehrten seines Hofes beurteilen. Der italienische Frühhumanist Petrarca wies die angeblichen antiken Privilegien aus der Zeit aus der Zeit der antiken Cäsaren mit einer gehörigen Portion Hohn zurück. Trotz Verweigerung der Anerkennung usurpierte Rudolf den Fantasietitel, den er für sein Haus in den Fälschungen kreiert hatte und begann sich in Urkunden als „Palatinatus archidux“ (=Pfalzerzherzog) zu nennen, was ihm jedoch bald von Karl IV. untersagt wurde. Auch schmückte er sich mit anderen Ehrentitel: So führte er auch den Titel eines Herzogs von Krain ein. Dem wurde niemals widersprochen, und so gab es seitdem nun neben Österreich, Steiermark und Kärnten mit Krain ein viertes habsburgisches Herzogtum.
Als äußeres Zeichen seiner gehobenen Stellung beanspruchte er den kronengleichen Erzherzogshut tragen zu dürfen. Diese Eigenmächtigkeiten führten zu einem Konflikt mit Kaiser Karl IV., der Rudolf wiederholt das Führen der Titel und Symbole verbieten ließ. Erst Rudolfs Nachfahre Kaiser Friedrich III. bestätigte ein Jahrhundert später die von Rudolf erfundenen Privilegien.