Maria Theresia und Joseph II. – ein klassischer Mutter-Sohn-Konflikt?
Familiäre Konflikte gewannen im Rahmen der Politik des 18. Jahrhunderts eine wesentlich größere Relevanz und öffentliche Präsenz, als dies in früheren Epochen der Fall war. Dabei betrafen diese Auseinandersetzungen fast alle Lebensbereiche.
Beispielhaft steht hier nicht nur die an Tragödien wahrlich nicht arme Familiengeschichte der russischen Romanows, sondern auch der berühmte Konflikt zwischen dem nachmaligen Friedrich II. und seinem sehr strengen Vater Friedrich Wilhelm I., der seinen Sohn in der Erziehung des Öfteren demütigte.
Eine markante Konfliktsituation offenbart auch das Verhältnis zwischen Maria Theresia und Joseph (II.) in späteren Jahren. Letzterer war der älteste Sohn und damit Thronfolger der Dynastie. Während Joseph 1741 noch als ersehnter Thronfolger galt, der die Krise habsburgischer Erbnachfolge zu überwinden schien, hatte seine unnachgiebige Reformüberzeugung letztlich den Bruch mit den stärker kompromissfähigen Einstellungen und wankelmütigen Bewusstseinslagen seiner Mutter zur Folge. Gerade die Erziehung Josephs stand unter dem Einfluss der Ideen der Aufklärung: Diese prägte ihn entscheidend und brachte ihn schließlich in zunehmendem Gegensatz zu seiner zum Teil bigotten Mutter.
Die Konflikte, die sich ab der steigenden politischen Bedeutung Josephs (ab 1765 als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Mitregent seiner Mutter) sukzessive steigerten und über das Politische auch eine zutiefst menschliche Problemlage spiegelten, betrafen schließlich alle Fragen des Staates und seiner Administration. Während Joseph eine immer stärkere Kritik an der Religion als dem weltanschaulichen Rahmen dynastischen Handelns erkennen ließ, hielt seine Mutter bis zum Schluss an der Relevanz der Pietas Austriaca, der „österreichischen Frömmigkeit“, als Haustradition und Wertemaßstab fest. Pflegte Maria Theresia bis zu ihrem Ableben ein fast inniges Verhältnis zu den Ungarn als den Rettern der Dynastie im Jahr 1741, war Josephs Verhältnis zum Königreich nicht zuletzt wegen des Verzichts des Kaisers auf die Krönung mit der Stephanskrone, die er nach Wien bringen ließ, von Beginn an schwer belastet. Nicht zuletzt agierte Joseph – etwa im Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/1779) – mit seinen Ansprüchen auf Niederbayern und die Oberpfalz als Anwalt einer rücksichtslosen Machtpolitik, die seine Mutter gerade aus den zutiefst traumatisierenden Erfahrungen des „Schicksalsjahres“ 1741 aus tiefstem Herzen ablehnte. Der Konflikt zwischen Maria Theresia und ihrem Sohn, einem Bewunderer Friedrichs II., endete nicht mit dem Ableben der Kaiserin, denn auch nach 1780 versuchte Joseph seine Reformvorhaben – gerade in der Religionspolitik – mit unerbittlicher Strenge fortzusetzen.