Kolonisationsversuch am Balkan
Wenn schon keine "richtige" Kolonie auf einem anderen Kontinent, dann wenigstens so etwas Ähnliches: Ungefähr nach diesem Motto versuchten die Habsburger, Bosnien und die Herzegowina unter ihre Kontrolle zu bringen.
Ein Gefecht bei Livno in Bosnien am 15. August 1878: Der Balkan war im 19. Jahrhundert Schauplatz zahlreicher solcher kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach den großen Gebietsgewinnen Russlands im Krieg gegen das Osmanische Reich kam es im Juni 1878 zum Berliner Kongress. Hier sollte versucht werden, das Gleichgewicht der Mächte auf dem Balkan wieder herzustellen. Österreich-Ungarn wurde auf diesem Kongress das Okkupations- und Verwaltungsrecht auf Bosnien und die Herzegowina zugesprochen. Fast ununterbrochene Krisen und Aufstände waren die Folge. "Mit einem Fuß in's Grab gestiegen", so beurteile Kronprinz Rudolf die Aussichten durch den Gebiets-"Gewinn", und damit sollte er Recht behalten. Ein weiterer negativer Höhepunkt war 1908 die Annexion Bosniens und der Herzegowina, die die formelle Übernahme des Gebiets vom Osmanischen Reich bedeutete. Diese Annexion löste neuerlich eine schwere Krise in Europa aus. In Teilen der Bevölkerung des besetzten Gebietes kam es zu Unmutsbekundungen und zur Bildung oppositioneller Organisationen. Das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand im Juni 1914 in Sarajevo löste schließlich den Ersten Weltkrieg aus.
Die österreichisch-ungarische Besetzung von Bosnien-Herzegowina kann als Versuch betrachtet werden, ein aus habsburgischer Sicht am Rande Europas gelegenes Gebiet zu kolonialisieren. Auch wenn die Donaumonarchie nicht wie andere europäische Großmächte ein weltweites Imperium zu errichten versuchte, so gab es im Zeitalter des Imperialismus also habsburgische Bestrebungen, das eigene Einflussgebiet auszuweiten.