Historismus – der Baustil der Ringstraße
Ein Tempel als Parlament, ein Renaissance-Palast für die Wissenschaft und ein römisches Forum für den Kaiser – der Historismus verleiht jedem Gebäude das richtige Gewand.
Der architektonische Stil der Ringstraße ist der Historismus. Dabei wurden historische Bauformen in idealisierter Weise zum Vorbild genommen und an die technischen und funktionalen Anforderungen der Gegenwart angepasst. Ausgewählt wurde für jedes Gebäude jener Stil, welcher dessen Funktion am besten zum Ausdruck verhelfen konnte: Theophil Hansen (1813–1891) baute das Parlament im hellenistischen Stil, da er in der klassischen griechischen Demokratie die beste Form von Demokratie verwirklicht sah. Das neugotische Rathaus von Friedrich Schmidt (1825–1891) spiegelt die bürgerliche Autonomie der Städte in Flandern wider. Die Votivkirche von Heinrich Ferstel (1828–1883) entstand im Stil der französischen Gotik. Für die Universität bediente sich Ferstel hingegen der italienischen Renaissance als Vorbild, der 'Blütezeit' der europäischen Wissenschaft und Kunst. Letztlich fügt sich auch das Kaiserforum als Rückgriff auf die Foren römischer Imperatoren in diese Reihe.
Prägend für den Historismus war die Idee des Gesamtkunstwerks: Die Ringstraße als Ganzes, doch auch jedes einzelne Bauwerk für sich wurde als Kunstwerk aufgefasst. Der Architekt hatte sich daher ebenfalls um 'Kleinigkeiten' wie die Ausstattung der Bauten zu kümmern, Skulptur und Malerei wurden Bestandteile der Architektur. Das Kunsthandwerk erlebte in der Folge einen Aufschwung. Eine Kunstindustrie entstand, welche in kurzer Zeit zahlreiche, möglichst gleichwertige Objekte liefern musste. 1871 wurde per kaiserlicher Anordnung am Stubenring das k. k. Museum für Kunst und Industrie mit angeschlossener Schule als erstes Kunstgewerbemuseum am Kontinent errichtet. Die Idee für dieses Museum ging auf den Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger-Edelberg (1817–1885) zurück, der nach einem Besuch einer ähnlichen Sammlung in London den Kaiser dazu bewogen hatte, Kunst und Industrie in einem eigenen Museum zusammenzuführen. Es sollte vor allem Bildungsaufgaben erfüllen.