Franz Joseph: Ehe, Familie und Nachkommen
Franz Josephs familiäres Umfeld wurde von Personen gebildet, die ebenfalls tiefe Spuren im historischen Bewusstsein der Nachwelt hinterlassen haben: Seine Gemahlin Elisabeth ist unter ihrem Kosenamen „Sisi“ heute die populärste Gestalt der Dynastie, und das tragische Schicksal seines Sohnes Rudolf beschäftigt die Menschen bis heute.
Am 24. April 1854 heiratete Franz Joseph seine um sieben Jahre jüngere Cousine Elisabeth (1837–1898), die eine Tochter einer Schwester von Franz Josephs Mutter Sophie war. Die romantischen Umstände ihrer ersten Begegnung – eigentlich war Elisabeths ältere Schwester Helene als Kaiserbraut vorgesehen – sind dank der „Sissi“-Filme allgemein bekannt.
Franz Joseph war seiner Gattin zeitlebens in einer schwärmerischen Liebe zugetan, die von dieser nicht immer in gleichem Ausmaß erwidert wurde. Die beiden waren sehr konträre Charaktere, es entwickelte sich in späterer Zeit jedoch eine Art von Freundschaft auf Distanz, da Elisabeth ihrem Gatten und dem Hofleben zunehmend fernblieb.
Aus der Ehe mit Elisabeth entstammten vier Kinder:
Sophie Friederike (1855–1857) starb im Alter von nur zwei Jahren an einer Darminfektion.
Gisela (1856–1932), oder auch Gisella, wuchs gemeinsam mit ihrem um zwei Jahre jüngeren Bruder Rudolf unter der Obhut der Großmutter Sophie auf, da Elisabeth als zu jung und unerfahren galt, um für die Erziehung ihrer Kinder selbst zu sorgen. Daraus resultierte eine gewisse Distanz zu ihrer Mutter, die sich auch später nicht änderte. Gisela hatte jedoch ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater, dem sie dank ihres nüchternen Wesens auch charakterlich stark ähnelte.
Gisela stand zeitlebens im Schatten ihres Bruders, dem als Kronprinz die größte Aufmerksamkeit galt. Dennoch verband die beiden Geschwister ein sehr inniges Verhältnis. Gisela wurde bereits mit 16 Jahren mit Prinz Leopold von Bayern (1846 –1930) verheiratet. Es war dies eine weitere Heirat innerhalb des bereits mehrfach miteinander verschränkten Familienverbandes der Habsburger und Wittelsbacher: Leopold war der Sohn des bayrischen Prinzregenten Luitpold und der Habsburgerin Erzherzogin Auguste Ferdinande aus der toskanischen Linie der Dynastie und somit ein Cousin zweiten Grades seiner Braut. Der Ehe der beiden entsprangen vier Kinder.
Prinz Leopold war Berufsoffizier und leidenschaftlicher Jäger und somit ein perfekter Schwiegersohn ganz nach dem Geschmack Franz Josephs, sodass der Kaiser die Ehe seiner Tochter sehr begrüßte und das junge Paar, das seinen Wohnsitz in München nahm, finanziell großzügig unterstützte. Kaiserin Elisabeth hingegen unterhielt zu ihrer Tochter und ihren Enkelkindern kaum Kontakt; in einem ihrer – zu Lebzeiten geheim gehaltenen – Gedichte nannte sie ihre biedere Tochter, die von wenig einnehmendem Äußeren war, abwertend eine „rackerdürre Sau“ und ihre Enkel „Ferklein“.
Die Beziehung Franz Josephs zu seinem einzigen Sohn Rudolf (1858–1889) war sehr problematisch. Dem Lebensweg des Kronprinzen ist eine eigene Biografie gewidmet.
Die jüngste Tochter, Marie Valerie (1868–1924), kam mit deutlichem Abstand zu ihren Geschwistern als „Nachzüglerin" zur Welt. Allgemein wird sie als „Frucht“ des 1867 erfolgten Ausgleichs mit Ungarn gesehen, den Elisabeth mit großem Einsatz unterstützte. Marie Valerie, in Budapest geboren, wurde in der Folge von der Kaiserin als „ungarisches Kind“ erzogen. Elisabeth sprach mit ihrer jüngsten Tochter nur Ungarisch, das ihre erste Muttersprache werden sollte. Auch bei der Erziehung des Mädchens achtete Elisabeth darauf, dass diese betont pro-ungarisch geprägt wurde. Später entwickelte Marie Valerie – möglicherweise als Trotzreaktion – deutsch-nationale Tendenzen.
Elisabeth vergötterte ihre jüngste Tochter, deren Erziehung sie sich nun völlig widmen konnte, nachdem die älteren Kinder noch unter der Obhut der Schwiegermutter Sophie aufgewachsen waren. Wie ihre Mutter entwickelte Marie Valerie literarische Ambitionen; für die Nachwelt ist aber vor allem ihr Tagebuch, in dem sie sich als scharfsinnige Beobachterin ihrer Umwelt erweist, von Bedeutung.
Im Jahre 1890 heiratete Marie Valerie Erzherzog Franz Salvator (1866–1939), einen entfernten Verwandten aus der toskanischen Linie des Hauses Habsburg. Der Ehe entstammten zehn Kinder. Ihren Hauptwohnsitz nahm die rasch wachsende Familie auf Schloss Wallsee im westlichen Niederösterreich. Marie Valerie hielt auch nach ihrer Heirat engen Kontakt zu ihrem alternden Vater, der die ungezwungene Atmosphäre in der Familie seiner jüngsten Tochter sehr schätzte. Marie Valerie engagierte sich stark in verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen.
Nach dem Untergang der Habsburgermonarchie fügte sie sich in die neuen Verhältnisse, verzichtete auf alle Ansprüche, die aus ihrer Herkunft aus der ehemaligen Herrscherfamilie entsprangen, und konnte somit mit ihrer Familie in Österreich bleiben und ihr Vermögen behalten. Die Nachkommen der Kaisertochter leben bis heute auf Schloss Wallsee sowie in der Kaiservilla von Bad Ischl, die sie als Erbin ihres Vaters 1916 zugesprochen bekam.
Nach dem Tod Franz Josephs kamen in der Thronfolge aufgrund des Selbstmordes von Kronprinz Rudolf nicht die direkten Nachkommen des Kaisers zum Zug: Die Erbfolge ging an die Linie seines Bruders Karl Ludwig. Die zahlreichen Nachkommen – Franz Joseph hatte 15 Enkelkinder und 55 Urenkel – verfügten jedoch über große Vermögenswerte, da Franz Joseph seinen nicht unerheblichen Privatbesitz seinen Kindern und Kindeskindern hinterließ – und nicht seinem Nachfolger auf dem Thron, Karl I.
Um das Bild vom privaten Leben des Kaisers abzurunden, seien hier auch die bekanntesten seiner außerehelichen Verhältnisse erwähnt. Franz Josephs Verhalten, das in diesem Bereich eindeutig der herrschenden katholischen Sexualmoral widersprach, war hier keine Ausnahme: Dies entsprach dem damaligen Usus in hocharistokratischen Kreisen.
Das eher rein sexuelle Verhältnis Franz Josephs mit Anna Nahowski (1860–1931) dauerte von 1875 bis 1889. Möglicherweise war Franz Joseph auch der Vater einiger der Kinder Nahowskis. Die von tiefer Freundschaft und Vertrautheit geprägte Beziehung mit der Hofschauspielerin Katharina Schratt (1853–1940), die von Elisabeth aktiv gefördert wurde, begann 1885 und dauerte bis zum Tod des Kaisers an.