Ein Freiheitschor im Polizeistaat
Trotz aller politischen Zensur unter Metternichs Regime des Vormärz konnte Giuseppe Verdi 1843 seine Oper „Nabucco“ im Kärntnertortheater dirigieren.
Die Uraufführung der Oper „Nabucco“ am 9. März 1842 in Mailand hatte dem jungen Giuseppe Verdi den Durchbruch zum international anerkannten Opernkomponisten gebracht. Die Oper griff auf sehr freie Weise ein Thema aus der jüdischen Geschichte auf: die Eroberung Jerusalems durch den babylonischen Herrscher Nebukadnezar im 6. Jahrhundert vor Christus und die anschließende Auflehnung und Verschleppung der Juden nach Babylon (die „Babylonische Gefangenschaft“).
Von den italienischen Patrioten, die das in zahlreiche Kleinstaaten zerstückelte Italien zu einer großen Einheit zusammenschließen wollten, wurde die Freiheitssehnsucht des jüdischen Volkes als Symbol für ihre eigenen nationalen und liberalen Forderungen interpretiert – insbesondere für ihren Widerstand gegen die Fremdherrschaft der Habsburger, die durch den Wiener Kongress 1814/15 festgeschrieben worden war (die Oper endet mit dem Sieg Jehovas). Immer wieder wurde der Gefangenenchor der hebräischen Sklaven mit seiner eingängigen Melodie als Freiheitshymne des „Risorgimento“, der italienischen Unabhängigkeits- und Einigungsbewegung, und eine Art Nationalhymne interpretiert. Diese populäre Ansicht wird heute allerdings in Frage gestellt und die Meinung vertreten, es handle sich dabei um eine nachträgliche Konstruktion im Zuge der italienischen Nationsbildung.
Verdi erlangte dadurch in Italien enorme Bekanntheit und wurde zu einer ,Galionsfigur‘ des Widerstandes gegen die Habsburgermonarchie. Sein Name wurde als Anagramm für die politische Losung „Vittorio Emanuele Re D’Italia“ („Vittorio Emanuele, König von Italien“) gedeutet, jenen König von Piemont-Sardinien, in den die italienische Einigungsbewegung ihre Hoffnungen setzte. Im Jahr 1861, 19 Jahre nach der Uraufführung von Verdis „Nabucco“, wurde der Traum von der Unabhängigkeit Wirklichkeit: Viktor Emanuel II. wurde zum König über das geeinte Italien gekrönt, nachdem piemontesische Truppen mit französischer Hilfe 1859 die Österreicher bei Solferino besiegt hatten. Als Folge dieser Schlacht verloren die Habsburger die Lombardei und sie mussten weitere Verluste auf italienischem Territorium hinnehmen: 1866 jenen Venetiens und auch des von der Sekundogenitur (Nebenlinie) regierten Großherzogtums Toskana.