Die Tage neu zählen
Julianischer oder Gregorianischer Kalender? Wie soll das Jahr berechnet werden?
In: Münch, Paul: Lebensformen in der frühen Neuzeit (Frankfurt/Main 1992), 177Pabst was hast du angericht
Mit deinem heillosen Gedicht,
Daß du verkehret hast die Zeit,
Dadurch irr gemacht uns arme Leut,
Daß wir nunmehr kein Wissen haben,
Wann man soll pflanzen, seyen, graben
1582 verordnete Papst Gregor XIII. mit der Bulle "Inter gravissimas" eine Kalenderreform. Astronomischen Beobachtungen zufolge erkannten Tycho Brahe und Johannes Kepler einen Berechnungsfehler im bisherigen Kalenderjahr. Das Jahr war bis dahin mit 365 Tagen und 6 Stunden angenommen worden, wobei es nach dieser julianischen Zählung (geführt unter Julius Cäsar) zu jahreszeitlichen Verschiebungen kam. Ab nun war das Jahr in 365 Tagen, 5 Stunden 48 Minuten und 46 Sekunden gefasst und der Frühlingsbeginn mit dem 21. März sowie das Osterdatum wieder mit dem ersten Frühlingsvollmond − im Unterschied zum julianischen Kalender − fixiert. Um den aus dem Rechenfehler entstandenen Zeitverzug zu beheben, ordnete Papst Gregor im Jahr 1582 an, auf den 4. Oktober sogleich den 15. folgen zu lassen und künftig eine Schaltjahreszählung vorzunehmen. Obwohl diese Reform auch von Martin Luther befürwortet wurde, entspann sich um den neuen "Gregorianischen Kalender" ein Streit. ProtestantInnen wandten sich gegen die nach dem Papst benannte Reform und sahen dahinter kirchenpolitische Ambitionen der Gegenreformation. Die Kalenderreform wurde 1582 nur in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Polen umgesetzt, 1583 folgten die österreichischen Erblande der Habsburger und die katholischen Territorien des Reiches. Die protestantischen Länder lehnten die päpstliche Reform vorerst noch ab.
Auch die bäuerliche Bevölkerung stand der neuen Zeitrechnung ablehnend gegenüber, da sie sich ohnedies nicht an der Zeitmessung durch Uhren orientierte, sondern am Lauf der Sonne festhielt. Umso verwirrender mutete es für sie an, einfach 10 Tage im Jahreslauf zu streichen und damit den gewohnten Rhythmus zu stören.
Es dauerte bis ins 18. Jahrhundert, bis das gesamte protestantische Europa, mit erheblicher Verspätung auch Russland (1918), den Gregorianischen Kalender übernahm. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung war der internationale Handel und Verkehr ohne einheitliche Zeitrechnung nicht mehr reibungslos durchführbar.