Die Ringstraße als Bühne: Ein Festzug für Kaiser und Volk
Der von Hans Makart gestaltete Festzug anlässlich der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares 1879 setzte dem Wiener Bürgertum ein Denkmal.
Der Kaiser drückte sein Wohlwollen über den Festzug 1879 aus.Ich wünsche damit der schaffenden Arbeit auf allen Gebieten des Gewerbefleißes, des Handels und des Verkehrswesens sowie den schönen Künsten einen öffentlichen Beweis meines Wohlwollens, Meiner Anerkennung ihres Werthes im Staatsleben und Meiner Schirmenden Fürsorge für ihre Interessen zu geben.
Der Festzug führte als Huldigung der Stadt Wien vom Prater über den noch unfertigen Ring und sollte die kulturelle Blüte des Habsburgerreiches zur Schau stellen. Doch sollte er nicht nur eine elitäre Präsentation des Adels und Großbürgertums sein, sondern auch von der weniger begüterten Bevölkerung getragen werden. In fünf Abteilungen gegliedert zogen Studenten, diverse Vereine, gewerbliche Genossenschaften, KünstlerInnen, JägerInnen sowie Feuerwehren an den Zuschauenden vorbei. Insgesamt nahmen rund 14.000 Personen am Festzug teil.
Unter Makarts Regie, der selber als Rubens verkleidet auf einem Lipizzaner mitritt, geriet der Hauptteil zu einem prunkvollen Historienspektakel: BürgerInnen stellten in historischen Kostümen alle traditionellen Berufsgruppen auf prächtig geschmückten Festwagen nach. Die Renaissance-Kleidung verwies auf die Blüte von Bürgertum, Handel, Handwerk, Kunst und Wissenschaft in dieser Epoche und symbolisierte das Selbstbewusstsein des zeitgenössischen aufstrebenden Bürgertums.
Vom Kaiserhaus wurde der feierliche Anlass am 22. April 1879 im Palais des jüngeren Bruders des Kaisers, Erzherzog Karl Ludwig, mit dem "Historischen Familienfest des Kaiserhauses" begangen. Hier stand allein die Dynastie im Mittelpunkt. Sechs Tableaux vivants – "Lebende Bilder", die mit Personen berühmte Gemälde oder Ereignisse nachstellen – gaben bedeutende Momente aus der 'Familiengeschichte' wieder. Das Fest war nur einem privaten Kreis zugänglich, viele Mitglieder der Dynastie waren an der Aufführung beteiligt.
1908 wurde die Ringstraße erneut zum Schauplatz eines historischen Festzugs, des Kaiser-Huldigungs-Festzugs aus Anlass des 60-jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs. Anders als beim Festzug von 1879 lag das Gewicht weniger auf der Demonstration der Bedeutung des Bürgertums. Er sollte vielmehr die dringend benötigte Einigkeit des Vielvölkerstaates beschwören. Mit großer Detailtreue bei den historischen Kostümen wurden Höhepunkte der Geschichte des Habsburgerreiches als Huldigung an die Dynastie gezeigt. Danach folgten die Genossenschaften und VertreterInnen der Nationalitäten des Reichs in Volkstrachten mit Musikkapellen. Mehr als 12.000 Beteiligte lockten unzählige Zuschauende an den Ring. Der Kaiser selbst zeigte jedoch wenig Interesse. Für die Finanzierung mussten Privatiers und die Stadt Wien aufkommen.