Die Erbhuldigung
Wenn ein Habsburger die Herrschaft in den österreichischen Stammlanden der Dynastie nach dem Tod des Vorgängers übernahm, gab es keine Krönung. Stattdessen erfolgte die Einsetzung eines neuen Herrschers durch eine Zeremonie, die als Erbhuldigung bezeichnet wurde.
Es entstand dabei eine Art wechselseitiges Abkommen zwischen dem Herrscher und dem Land, das durch die Stände als den Vertretern der politischen und sozialen Führungsschichten repräsentiert wurde. Die Stände huldigten dem neuen Landesherrn und legten den Treueid ab, der Herrscher wiederum bestätigte im Gegenzug die alten Privilegien und Rechte des Landes und der Stände.
Da die Herrschaft in den österreichischen Erbländern – darunter verstand man neben dem eigentlichen österreichischen Ländern ober und unter der Enns (= Ober- und Niederösterreich mit Wien) auch die Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Tirol und die Vorlande sowie seit 1815 auch Salzburg –, wie der Name schon sagt, im Haus Habsburg erblich war, waren die Habsburger hier auch ohne Erbhuldigung rechtmäßige Herrscher. So verzichtete bezeichnenderweise Joseph II. als Ausdruck seiner zentralstaatlichen Reformbestrebungen auf diesen formellen Akt und gab damit seiner Ablehnung des föderalistischen ständischen Systems Ausdruck. Die Erbhuldigung war also nur eine rituelle Zeremonie, bei der sich das Land als Personenverband präsentierte, was jedoch für das Landesbewusstsein der einzelnen Länder wichtig war.
Die Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände, die das Kernland habsburgischer Macht repräsentierten, war die bedeutendste. Fast alle Herrscher unterzogen sich dieser Zeremonie, zuletzt Ferdinand I. im Jahre 1835. Der Erzherzogshut als die 'Krone' des Erzherzogtums Österreich unter der Enns (= Niederösterreich) war dabei das wichtigste Requisit, das im Stift Klosterneuburg bei Wien aufbewahrt wurde. Für die Erbhuldigung wurde die Insignie eigens mit einer Galasänfte nach Wien gebracht.
Die Erbhuldigung selbst begann mit dem Huldigungszug durch die Stadt, wo der Öffentlichkeit die hierarchische Ordnung der Stände durch die Aufstellung im Festzug sichtbar gemacht wurde. Den Ehrenrang hatten die Prälaten, die Vorsteher der großen Stifte und Klöster, inne. Der einflussreichste Stand war der Herrenstand, dem die führenden, im Land begüterten Adelsfamilien angehörten. Von geringerer Bedeutung waren der dem Ritterstand angehörende niedere Adel und die Vertreter der landesfürstlichen Städte und Märkte.
Im Zentrum des Zuges stand der Landesfürst, dem der Erzherzogshut vorangetragen wurde. Begleitet wurde der Herrscher von den Erbland-Würdenträgern, Mitgliedern alteingesessener Adelsfamilien, die während der Zeremonie rituelle Funktionen ausführten, die den Dienst an Herrscher und Land symbolisierten.
Der Weg führte zunächst in den Stephansdom, wo ein Hochamt zelebriert wurde, und von dort weiter in die Hofburg, wo in der Ritterstube des Zeremonialappartements die eigentliche Huldigung mit der Leistung des Treueides stattfand. Danach folgten ein Dankgottesdienst in der Hofburgkapelle sowie eine feierliche Hoftafel, wobei der Erzherzogshut als Symbol der Herrscherwürde auf einer eigenen Tafel neben dem Landesfürsten platziert wurde.