Der Reiz des Vergangenen
Der Verlust politischen Einflusses und die Notwendigkeit, Machtansprüche zu rechtfertigen, verstärkten – parallel zur romantischen Hinwendung zum Mittelalter – das Interesse an der eigenen Geschichte: Kaiser Franz II./I. ließ sich eine Ritterburg bauen und speiste von Porzellan mit mittelalterlichem Dekor.
Um die Wende zum 19. Jahrhundert wandten sich viele KünstlerInnen, infolge wachsender Skepsis gegenüber Napoleon und den Errungenschaften der Aufklärung und Französischen Revolution, dem Katholizismus zu. Dazu kamen ein durch die napoleonischen Kriege geschürter Patriotismus und erwachender Nationalismus, welcher die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit attraktiver erscheinen ließ als die Hinwendung zur früher idealisierten antiken Mythologie. Das (deutsche) Mittelalter, Ritter, Burgen, Märchen und Sagen wurden als Bezugspunkte entdeckt.
Auch die habsburgische Dynastie erlag der Faszination des Vergangenen, welche in ihr dynastisches Programm passte: Nach dem Ablegen der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation wollte Franz II./I. die Neugründung eines Kaiserreiches Österreich unter Verweis auf die lange habsburgische Tradition rechtfertigen. Wieder hatten die Künste die Funktion, Herrschaftsansprüche unter Rückgriff auf die Vergangenheit zu legitimieren: Architektur und bildende Kunst sollten die Bindung an die Dynastie stärken. Ahnengalerien und Stammbäume erlebten ein Revival. Franz II./I. ließ in Laxenburg ein historisierendes Denkmal für das Haus Habsburg errichten. Ein „Rittergau“ mit gotischer Brücke und „Turnierplatz“ wurde angelegt. Als Zentrum der Anlage entstand die Franzensburg mit Türmen, Zinnen und Wehranlagen, deren gesamte Ausgestaltung von einem romantischen, rückwärtsgewandten Programm bestimmt ist. Gebäude- und Ausstattungsteile aus anderen geschichtsträchtigen Besitzungen wurden dorthin verpflanzt.
Für die Hochzeitstafel seines jüngeren Sohnes Erzherzog Franz Karl, der Prinzessin Sophie von Bayern ehelichte, gab Franz II./I. bei der Wiener Porzellanmanufaktur ein Dessertservice in Auftrag. In romantisch-gotisierender Form zeigt es auf vergoldeten Porzellanfliesen die Porträts habsburgischer Herrscher von Rudolf I. bis Leopold II. mit ihren Frauen. Auf Desserttellern sind Schlösser und Burgruinen (auch die Habichtsburg, der Stammsitz des Geschlechts im Schweizer Kanton Aargau) abgebildet. Das Service wurde nicht nur bei Familienfesten, sondern auch bei öffentlichen Tafeln verwendet, an denen über das Porzellan nun auch die Toten teilhaben konnten.