Der neue österreichische Antisemitismus II
Judenpunkte und Arierparagraphen. Juden wurden im 19. Jahrhundert zur Zielscheibe des politischen Antisemitismus.
Die Christlichsoziale Partei machte die Juden, die sie als Vertreter des Finanzkapitals erachteten, für die wirtschaftliche Misere nach dem Börsenkrach 1873 verantwortlich. Die deutschnationale Partei schürte einen rassistischen Antisemitismus, die deutschliberale Gesinnung des Großteils der Juden wurde als anbiedernde Assimilationspolitik denunziert. Gerade diese jüdischen Deutschliberalen wurden in den Nationalbewegungen der einzelnen Kronländer diskriminiert. 1885 legten die Christlichsozialen in ihrem Parteiprogramm den "Arier-Paragraphen" oder "Judenpunkt" fest: "Zur Durchführung der angestrebten Reformen ist die Beseitigung des jüdischen Einflusses auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens unerlässlich." Die jüdische Bevölkerung zeigte sich angesichts des rabiaten Antisemitismus eher verstört als verängstigt, da sie sich als ReichsbürgerInnen betrachtete und Trägerin dieser Kultur war.
Theodor Herzl reagierte auf die politischen Umtriebe mit seinem Konzept eines jüdischen Nationalismus, dem Zionismus, der die Gründung eines Judenstaates beabsichtigte. Seine Frage "Wird man uns verjagen? Wird man uns erschlagen? " war zwar für Wien und die Habsburgermonarchie noch nicht aktuell, doch die fremdenfeindliche Ausgrenzungspolitik war für viele alarmierend. Der Großteil der Juden der Habsburgermonarchie wollte aber weiterhin den Weg der Integration gehen.