Joseph II.: Der lang ersehnte Sohn
Nach drei Geburten von Mädchen schenkte Maria Theresia am 13. März 1741 einem Knaben das Leben. Joseph, wie der heiß ersehnte Sohn genannt wurde, kam gerade zur richtigen Zeit.
Die Existenz der Monarchie, deren Thron Maria Theresia von ihrem Vater 1740 geerbt hatte, war alles andere als gesichert. Die Bestimmungen der Pragmatischen Sanktion, die die Übernahme der Herrschaft durch die Erbtochter Karls VI. sichern sollte, wurden von den Konkurrenten im Spiel der europäischen Mächte nun angezweifelt. Preußen, Bayern und Sachsen beanspruchten Teile des Reiches für sich. Im Österreichischen Erbfolgekrieg versuchte die junge Regentin verzweifelt, ihre Position zu behaupten.
Der kleine Sohn war nun für Maria Theresia ein politisch willkommenes Werkzeug, um ihren Thronanspruch zu festigen. Da sie als weibliche Herrscherin von den Ständen der einzelnen Länder des Reiches nur bedingt angenommen wurde – dass Maria Theresia später zu einer äußerst fähigen und energischen Herrscherin werden sollte, war noch nicht abzusehen – konnte sie sich nun als Platzhalterin geben. Mit Joseph wurde der Welt ein männlicher Thronfolger präsentiert, der dereinst den Thron übernehmen würde.
Maria Theresia nützte ihre junge Mutterschaft sofort für ihre Zwecke. Laut einer patriotischen Legende trat sie mit dem kleinen Joseph im Arm vor dem ungarischen Reichstag auf, um die Stände um Hilfeleistung zu bitten, die von den gerührten Ungarn sofort mit dem Ruf „Leben und Blut!“ gewährt wurde.
Der kleine Prinz wurde bald zu einem verwöhnten Kind, von der Mutter und der Hofgesellschaft vergöttert. Joseph entwickelte sich zu einem schwierigen, eigensinnigen Jugendlichen, der als altklug und hochmütig galt. Von seiner bedeutenden Stellung durchdrungen und mit großem Selbstwertgefühl ausgestattet, blieb er zeitlebens von einem gewissen Sendungsbewusstsein und Überlegenheitsgefühl geprägt.
Bereits die frühen Schriften Josephs zeigen seine Einstellung zum Herrscheramt. Der Monarch sollte sich zum Wohle des Volkes aufopfern. Gemäß seinem Motto „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“ sollten die Untertanen jedoch ohne jegliche Mitsprache bleiben. Joseph sah seine Aufgabe als wohlmeinender Despot, der die unwissenden Menschen zu ihrem Glück zwingen müsse.