Erzherzogin Sophie: Die „heimliche Kaiserin“
Sophies Stunde kam 1848, als der kranke Kaiser Ferdinand in Olmütz, wohin die kaiserliche Familie vor den Wirren der Revolution geflüchtet war, zugunsten seines Neffen, des 18-Jährigen Franz Josephs abdankte.
Durch den Thronverzicht ihres Gatten Franz Karl stieg Sophie zwar nicht zur Kaiserin auf, doch sie gewann dennoch an politischen Einfluss. Denn ihr Sohn, der junge Kaiser Franz Joseph, war zwar durchdrungen von monarchischem Sendungsbewusstsein und voller Eifer, die von der Revolution geschmälerte Macht zurückzugewinnen. Aber er war politisch unerfahren und seiner energischen Mutter ergeben, in der er auch seine wichtigste emotionale Stütze fand. Obwohl sich Sophie nicht offen in die tagespolitischen Entscheidungen einmischte, war sie das politische Mastermind hinter ihrem Sohn und gab die Linie vor. Als „heimliche Kaiserin“ wurde sie in Folge zu einer Hassfigur der liberalen Kräfte der Monarchie.
Sophie war strikt gegen eine Föderalisierung der Monarchie, die den verschiedenen Volksgruppen vermehrte Mitspracherechte gegeben hätte. Vor allem in den Ungarn sah sie eine Horde revolutionärer Hitzköpfe, die offen am Untergang der Habsburgermonarchie arbeiteten. Sie favorisierte eine verstärkte Präsenz Österreichs in deutschen Landen, wo der traditionelle Vorrang innerhalb der deutschen Fürsten aufrechterhalten werden sollte.
In diesem Sinne ist auch Sophies Versuch zu verstehen, ihren Sohn mit einer Tochter ihrer Schwester Maria Ludovika aus dem bayrischen Haus Wittelsbach zu vermählen. Die Initiative war von Erfolg gekrönt. 1854 heiratete Franz Joseph seine Cousine Elisabeth.
In der blutjungen Elisabeth sah Sophie zunächst eine nach ihren Vorgaben leicht formbare Gestalt. Sie wurde jedoch vom Eigenwillen und Widerstandsgeist ihrer Schwiegertochter und Nichte überrascht. Die populäre Darstellung Sophies als „böse Schwiegermutter“ greift allerdings zu kurz. Hier trafen unterschiedliche Ansichten über die Rolle einer Kaiserin aufeinander. Sophie hatte auf diese von ihr ursprünglich angestrebte Position bewusst verzichtet, während Elisabeth mehr oder weniger ohne ihr Zutun (und ohne eine Vorstellung über die Folgen) diese Rolle übernommen hatte.
Da Sophie die bestimmende Gestalt am Wiener Hof der 1850er Jahre war, machte Elisabeth ihre Schwiegermutter für ihre schwierigen Anfangsjahre am Wiener Hof als unerfahrene Ehefrau und junge Mutter verantwortlich. Elisabeth lehnte die ihr zugedachte traditionelle Rolle einer Kaiserin, die sich als treusorgende Ehefrau und hingebungsvolle Mutter ganz dem Fortbestand der Dynastie zu widmen hätte, rundweg ab. Es darf aber andererseits nicht vergessen werden, dass Sophie in vieler Hinsicht die von Elisabeth nicht wahrgenommene Position als „erste Frau des Reiches“ ausfüllte. Auch innerhalb der Familie war Sophie die emotionale Mitte und sie war für ihre Enkelkinder eine wichtige Mutterfigur.
Ein schwerer Schlag für Sophie war das Scheitern ihres Sohnes Maximilian als Kaiser von Mexiko. Nach dessen Erschießung 1867 zog sie sich aus der Politik zurück. Auch sah sie ihre neoabsolutistischen Ideale angesichts des Österreichisch-Ungarischen Ausgleichs und der Einführung der konstitutionellen Monarchie ab 1867 endgültig gescheitert. Sie zog sich vom Hof zurück und starb 1872 im Alter von 67 Jahren. Erzherzogin Sophie liegt in der Wiener Kapuzinergruft begraben.