Eine Frage der Prioritäten
Der kaiserliche Hof zu Wien glänzte traditionsgemäß weniger durch großartige Bauwerke, sondern durch imperiale Würde – sei es aus Geldmangel, wie bösartige Zungen meinten, oder aus frommer Demut gegenüber dem religiös verherrlichten Amt des Kaisers und der Ehrfurcht vor der Tradition, die der Komplex der Hofburg repräsentierte.
zitiert nach: Unterreiner, Katrin, Baugeschichte der Hofburg – Von der Mitte des 16. Jahrhunderts zum Ende der Monarchie, In: Die Wiener Hofburg – Lernbehelf für Guides, Wien 2005, S. 461649 beschreibt der Topograph Mathäus Merian die kaiserliche Burg als nicht besonders prächtig erbaut und für einen solchen mächtigen und höchsten Potentaten ziemlich eng.
Als Ferdinand I. 1533 Wien zu seiner Hauptresidenz machte, fiel der Startschuss für erste Umbauten am gotischen Baubestand der Hofburg. Hier ist vor allem das Hauptportal in den Innenhof der alten Burg (Schweizer Tor) zu nennen, ein erster architektonischer Akzent der Renaissance in der sonst recht nüchternen Hofburg. Doch selbst dieses Prunkportal stellte den Aspekt der Wehrhaftigkeit in den Vordergrund, denn die Burg war weiterhin ein wichtiger Teil der Wiener Stadtbefestigung.
Elemente der Renaissance kamen in der Architektur der Stallburg, ein ursprünglich selbstständiger Palastbau, stärker zum Tragen: Der zwischen 1559 und 1568 für den späteren Kaiser Maximilian II. errichtete und auf Grund seiner späteren Verwendung als Stallung der Lipizzaner als Stallburg bezeichnete Palast besticht dank seines Arkadenhofes noch heute. Eine Generation später wurde für Rudolf II. ein weiterer Palastbau, die Amalienburg, errichtet.
War der Wettlauf zwischen Wien und Prag im 16. Jahrhundert noch nicht entschieden, so wurde unter Kaiser Matthias 1612 Wien endgültig zur ständigen Residenz der Habsburger. Dennoch schlug sich dies kaum in einer verstärkten Bautätigkeit nieder. Aufgrund des Geldmangels angesichts der ständigen Kriege blieb der Bau des Leopoldinischen Traktes, benannt nach seinem Bauherrn, Kaiser Leopold I., das einzige Großprojekt des 17. Jahrhunderts.
Die Habsburger zeigten im 17. Jahrhundert generell nur wenig Interesse an großen Bauvorhaben. Zahlreiche zeitgenössische Beschreibungen bezeichneten daher die Hofburg als eine der Bedeutung der kaiserlichen Macht unangemessene Residenz. Noch um 1700 änderte der Wiener Hof seine Haltung nicht, was angesichts der politischen Erfolge und des allgemeinen barocken Baubooms in Wien sehr erstaunlich ist.
Unter Kaiser Karl VI., als der Aufholbedarf bereits sehr groß war, wurde der Komplex der Hofburg schließlich durch einzelne moderne Akzente bereichert. Damals entstanden erstmals auch Projekte für einen radikalen Umbau bzw. totalen Neubau der kaiserlichen Residenz. All diese gigantischen Pläne einiger großer Architekten dieser Zeit wie Fischer von Erlach, Hildebrandt oder Neumann, blieben jedoch Schreibtischprojekte und wurden niemals realisiert.
Erst mit Maria Theresias groß angelegtem Ausbau von Schönbrunn stand dem habsburgischen Hof erstmals eine 'moderne' Bühne für die repräsentative Selbstdarstellung zur Verfügung.