Der Kampf gegen die Pocken
"In der ganzen Welt haben von hundert Personen sechzig die Pocken", hielt der Philosoph Voltaire 1734 warnend fest. Die Medizin begann in der Zeit Maria Theresias dieser Seuche den Kampf anzusagen.
Die Pocken oder "Blattern", eine Infektionskrankheit, die durch Tröpfcheninfektion beispielsweise durch Husten übertragen wird, zählte im 18. Jahrhundert noch zu den gefährlichen Seuchen. Ein tödlicher Krankheitsverlauf oder Entstellung bis zur Unkenntlichkeit waren die Folgen. Selbst das Kaiserhaus blieb von dem grassierenden Übel nicht verschont. Maria Theresia erkrankte 1767 an den Pocken, noch im selben Jahr starb ihre Tochter Josefa daran. Die zwei Gemahlinnen Josephs II., Isabella von Parma und Maria Josefa, zählten ebenfalls zu den Opfern. Aus persönlichen, leidvollen Erfahrungen bemühten sich nun Maria Theresia und Joseph II. um die Einführung der Pockenimpfung in der Monarchie. Ein erster Impfversuch wurde 1768 in Wien gestartet, bei dem vier Kaiserkinder geimpft wurden. Entgegen der Hoffnungen blieb in der Monarchie und vor allem in den Provinzen das Impfverfahren der Variolation − eine Impfung mit menschlichen Blatternsekret − äußerst unpopulär "aus der lediglichen ursach, weillen das hiesiger Enden überaus thumme bauren Volk (…) guten Rath in der gütte gehör giebet" "und es lediglich der weiteren Schikung gottes überlassen will". Nachlässigkeit und Dilettantismus führten hier häufig zum Scheitern der nicht ungefährlichen Pockenprävention. Die Grazer Sanitätskommission etwa schlug daher dem Gubernium vor, Hausväter dessen Kinder sich impfen, mit einem "premio es seye in Geld, oder in einer goldenen Medaille huldreichest zu begnädigen (…)". Das Gubernium spann die Ideen weiter und wollte über ein Bonussystem, das die Ärzte bei einer gewissen Anzahl an Impfungen prämierte entsprechende Anreize schaffen. In Wien ging man auf die Vorschläge nicht ein, sondern ordnete an, 20-30 Kinder aus dem Grazer Armen- und Waisenhaus gegen die Pocken impfen zu lassen. Über den Erfolg sollte hernach berichtet und damit für die Variolation geworben werden. Doch die Hoffnung auf eine propagandistische Wirkung des Unternehmens musste spätestens dann aufgegeben werden, als man in Graz kein pockenerkranktes Waisenkind fand und daher mit einer eineinhalb Jahre alten "Blatternmaterie" impfte.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Variolation von der weniger gefährlichen Vakzination, einer Impfung mit Kuhpockenserum, auch in der Habsburgermonarchie abgelöst.
Die erste solcher Impfaktionen fand 1800 in Brunn am Gebirge statt.