Das Vademecum

Das "Vademecum" - eine Art selbstauferlegtes Verhaltensanweisung - Leopoldinas:

Ich werde versuchen, immer eine bestimmte Stunde zu haben, in der ich aufstehe und in der ich mich zu Bett lege, um ein Übermaß an Sinnlichkeit während der Ruhe zu vermeiden.

An den Feier- u. Sonntagen werde ich einige kleine Kasteiungen vornehmen, wie die, mir irgendeinen Gang bei der Mahlzeit zu versagen oder während einiger Zeit Schweigen zu bewahren oder mir ein Vergnügen zu entziehen; dies alles aber tun ohne dass irgend jemand etwas davon merkt.

Den letzten Tag des Jahres werde ich mit einer allgemeinen Überprüfung meines Verhaltens beschließen.

Allgemeines Verhalten:

Fern von mir bleibe das Aufsehen erregende Kleid.

Keine unnützen Ausgaben, die den Haushalt stören, werde ich haben, sondern Almosen geben, soviel als möglich, und alles

meiden, was nichtig ist, um den Unglücklichen zu helfen.

Meine überflüssigen Einnahmen werde ich vorzugsweise dazu benutzen, um Institute zu unterhalten, die sich der Erziehung der Jugend widmen oder den Kranken beistehen.

Mein Herz bleibe ewiglich dem verderblichen Geist der Welt verschlossen; fern von mir bleibe auch der schädliche Luxus, der unziemliche Putz, Zweideutigkeiten und skandalöse Kleider.

Streben nach Tugendhaftigkeit:

Meine unentbehrliche Tugend sei stets die Bescheidenheit, um die Reinheit meines Herzens zu bewahren.

Nie werde ich es aufgeben meine Schwächen zu bekämpfen, angefangen von der wichtigsten:

Die Lüge werde ich stets als ein Teufelswerk und als die Pest der Gesellschaft ansehen.

Fern von mir bleibe jede hochmütige und anmaßende Miene, aber ich werde vornehmlich ernst u. bescheiden, ehrenhaft mild, liebenswürdig und höflich gegenüber den Großen und Kleinen sein,

bei den Unterhaltungen werde ich mit Bedacht das Wort ergreifen,

nie will ich viel zu meinem eigenen Vorteil sprechen.

Verhalten nach der Vermählung:

Von dem 13. May, meinem Vermählungstage an, nehme ich mir vor:

1. Meine Heftigkeit zu bändigen, mit meinen Leuten gut zu seyn, um mich zu gewöhnen an Sanftmuth u. Nachgiebigkeit,

2. Will ich jeden unkeuschen Gedanken meiden, da ich schon von diesem Tage an meinem Gemahl angehöre,

3. Will ich mich befleissigen, mit Eifer an meiner Ausbildung zu arbeiten,

4. Will ich nun alle Mühe anwenden, immer die reine Wahrhaftigkeit zu sprechen.

Der Originaltext ist in französisch geschrieben. Das Original befindet sich im Privatarchiv der kaiserlichen Familie in Petrópolis.